Corona-Input mal anders?
Der Soziologe Dirk Baecker und Kolleg*innen veröffentlichen auf kure.hypotheses.org eine Sammlung von Beiträgen zu Corona. Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften bestimmen die Debatte und beleuchten Covid-19 aus unkonventionnellen Blickwinkeln.
Für einen Moment hatte man den Eindruck, Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften würden die Gunst der Stunde nutzen und sich in ihre Heimbibliotheken zurückziehen, um an meist lange überfälligen Texten zu arbeiten. Hatte man sich das nicht wieder einmal gewünscht: Das Haus nicht verlassen zu dürfen und alle Zeit der Welt darauf verwenden zu können, an diesem Buch, diesem Aufsatz arbeiten zu können, dessen Idee man schon so lange mit sich herumträgt? Hätte man nicht einmal die Lage der Welt den Epidemiologen, Virologen und Medizinern überlassen können, die genug Mühe hatten, aus unsicheren Daten Modelle zu konstruieren, an denen sich politische Entscheidungsträger orientieren konnten? Es gab sie auch, die zwei, drei Tage des Schweigens und erstaunten Beobachtens. Doch dann explodierte der Diskurs. Ein Blick auf die möglicherweise umfangreichste Textsammlung auf The Syllabus genügt, um sich von einer stupenden Produktivität zu überzeugen. Vielleicht ging es vielen Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaftlern so wie den Vertretern dieser Wissenschaften an der Universität Witten/Herdecke (UW/H): Viele werden gedacht haben, dass ein, zwei Texte nicht schaden können, um das Phänomen eines so noch nie gesehenen gesellschaftlichen Teilstillstands einzuordnen und auszuprobieren, ob die eigenen Theorien und Methoden an diesem Phänomen zu bewähren sind. An der UW/H rechneten wir mit zwei, drei Texten, doch rasch wurden es, Stand 14. April 2020, 14 Texte, die wir gerne hier dokumentieren. Und die Einladung zu Beiträgen auf unserem Blog gilt nach wie vor. Der Ausstieg aus dem Teilstillstand wird mit Sicherheit so anspruchsvoll wie der Einstieg. Ein solches Experiment, um herauszufinden, wie in einer komplexen Gesellschaft jedes Handeln und Erleben in fast jedes andere eingreift, hätte man sich weder ausdenken können noch wollen. Auf seine Beobachtung, Beschreibung und Auswertung können wir nicht verzichten. Denn wie sagte es Dr. med. Tankred Stöbe, Alumnus der UW/H und Präsident der „Ärzte ohne Grenzen“, in seinem Vortrag im Stufu digital am Nachmittag des 14. April: Wir haben es bei allem Leid für Mensch, Betrieb und Gesellschaft nur mit einer Übung zu tun. Andere Pandemien werden folgen.
Sammlung aller Beiträge
Corona XIV: Die Kunst der Stunde: Internet Art (Renate Buschmann)
Corona XIII: Covid-19 – ein Problem, drei verschiedene Lösungen (Maximilian M. Locher)
Corona XII: Versäumte Augenblicke und die Stunde der Demokratie (Günther Ortmann)
Corona XI: Entweder Lockdown oder Exit zur schnellen Normalisierung: Das Corona-Dilemma und dessen Tetralemma-Überwindung (Heiko Kleve und Tom Rüsen)
Corona X: Exponentielle Mathematisierung der Bevölkerung? (Thomas Ostermann)
Corona IX: Verbotene und erlaubte Sozialformen… (Fritz B. Simon)
Corona VIII: Ohne Abstand: Über die Gesellschaft und einen Begriff von der Gesellschaft in Zeiten des Kontaktverbots (Dirk Baecker)
Corona VII: Eingefallene Horizonte und Körperwelten: Was macht Corona mit dem Kapitalismus? (Birger P. Priddat und Andreas Lingg)
Corona VI: Physical distancing ≠ social distancing: Die Sehnsucht nach Nähe und das Potential des Virtuellen (Jonathan Harth)
Corona V: Wenn das Virus viral geht, oder Wenn eine Metapher von der Realität eingeholt wird (Christine Künzel, Universität Hamburg)
Corona IV: „Corona Krise“: Die Macht der lügenden Bilder (Harald Walach)
Corona III: Der Einbruch der Freiheit, 1989 und 2020: Eine Momentaufnahme (Heiko Kleve)
Corona II: Das große Noch nicht/Nicht mehr – Warum man nicht nur Epidemien immer zu spät sieht? (Günther Ortmann)
Corona I: Die pulsierende Gesellschaft (Dirk Baecker)
Über den Autor
Prof. Dr. Dirk Baecker ist Lehrstuhlinhaber für Kulturtheorie und Management an der Universität Witten/Herdecke.
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