Wie ein Student aus Mosambik seine Professoren überzeugte, über seine Heimat zu forschen
PPE-Studiengang rückt Bürgerkriegskonflikt in ein neues Licht
Nach dem Ende eines langen und blutigen Bürgerkriegs entwickelte sich Mosambik seit den 1990er Jahren zu einem Musterschüler des Internationalen Währungsfonds (IWF): Das Land erzielte enorme Wachstumsraten, zog ausländische Direktinvestitionen an und war ein bevorzugtes Empfängerland („aid darling“) von Entwicklungshilfe. Ausgerechnet in dem Jahr, in dem die ausländischen Investitionen ihren Höhepunkt erreicht hatten, kam es zu einem erneuten Ausbruch von Gewalt zwischen den ehemaligen Bürgerkriegsgegnern.
Gibt es einen Zusammenhang zwischen ausländischen Investitionen, rapidem Wirtschaftswachstum um dem erneuten Gewaltausbruch? Diese Frage stellte Carlos Mairoce, PPE MA-Student aus Mozambique, in einem Seminar mit Junior-Professor Dr. Magdalene Silberberger und Prof. Dr. Joachim Zweynert – mit dem Ergebnis, dass man beschloss, darüber gemeinsam zu forschen. Das Ergebnis dieser Forschung wurde nun unter dem Titel „Multinational enterprises, political institutions,and violence: a case study from Mozambique” im renommierten Journal of Institutional Economics publiziert.
Ist schnelles Wachstum immer etwas Gutes?
„Die Antwort auf unsere Forschungsfrage ist eine echte PPE-Antwort“, sagt Magdalene Silberberger, Juniorprofessorin für Entwicklungsökonomik an der UW/H: „Die Ökonomen des Internationalen Währungsfonds schauen auf die Wachstumsraten und ein paar wenige ökonomische Institutionen sind der Auffassung, dass das Land auf einem sehr guten Weg ist. An unserem Department für Philosophie, Politik und Ökonomik und in den entsprechenden Bachelor- und Masterstudiengängen verfolgen wir immer eine weiter gefasste Perspektive. Das heißt für uns Wirtschaftsforscher, wir setzen die Wirtschaft konsequent in ihren gesellschaftlichen Kontext. Eine solche kontextualisierende Herangehensweise zeigt dann, dass zu viele Investitionen und zu schnelles Wachstum zu Umverteilungskämpfen und im Extremfall zum Ausbruch offener Gewalt führen können.“ „Und das hat handfeste wirtschaftspolitische Implikationen“, ergänzt Joachim Zweynert, Professor für Internationale Politische Ökonomie an der UW/H. „Es heißt nämlich, dass man sich in Ländern wie Mozambik immer fragen muss: Wie viel ausländische Direktinvestitionen und Wachstum verträgt so ein Land und wo könnte der Punkt liegen, an dem mehr Wachstum einfach zu riskant wäre? Da müsste man dann erst einmal das politische System stärken, bevor man weiter versucht, die Wirtschaft zu liberalisieren. Wobei es hier keine allgemeingültige Antwort gibt. Vielmehr muss man sehr konkret die Situation in jedem einzelnen Land analysieren.“
„Carlos war es, der uns im Rahmen eines Seminars auf den Fall Mozambik aufmerksam machte“
„Was man neben dem Inhalt hervorheben muss, ist, dass wir es hier mit einer Publikationen in einem internationalen Top-Journal zu tun haben, deren Ausgangspunkt eine Frage und daraus folgend eine Forschungsarbeit unseres Studierenden war“, so Silberberger. Es hat dann zwar noch mehr als zwei Jahre intensiver gemeinsamer Arbeit gebraucht, um daraus einen publikationsfähigen Zeitschriftenaufsatz zu machen. „Aber diese Erfahrung zeigt wieder einmal, was an der Uni Witten/Herdecke möglich ist, wenn Studierende und Lehrende eine enge Gemeinschaft bilden.“ „Die Veröffentlichung wäre ohne die Internationalisierungsstrategie der Uni nicht möglich gewesen“, ergänzt Zweynert. „Denn Carlos war es, der uns im Rahmen eines Seminars auf den Fall Mozambik aufmerksam gemacht hat. Ohne sein Wissen und seine Connections vor Ort wäre es schlicht nicht möglich gewesen, einen solchen Aufsatz zu schreiben.“
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