100 Tage Präsident Biden – Taten, Tendenzen, Beobachtungen
Dr. Markus Jaeger und Franziska Lüttge zu den ersten Monaten mit Joe Biden im Weißen Haus
Im Rahmen einer öffentlichen Podiumsdiskussion Ende April luden das Institute for Social and Institutional Change (ISIC) der Universität Witten/Herdecke und Prof. Dr. Nils-Christian Bormann vom Lehrstuhl für International Political Studies zum Expertenaustausch. Mit dabei waren
- Franziska Lüttge, Programmkoordinatorin im Asienprogramm im German Marshall Fund of the United States, welches in Brüssel ansässig ist, und
- Dr. Markus Jaeger, Fellow der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) und außerordentlicher Professor an der Columbia Universität in New York.
Im Folgenden sind zehn wichtige und interessante Fragen aus der Podiumsdiskussion zusammengefasst:
1. Was sind Ihrer Meinung nach Bidens bisher größten Errungenschaften?
Lüttge: Hier sehe ich vor allem drei Dinge: Zum einen hat er bei den Impfungen einen guten Job gemacht, denn es sind bisher über 100 Millionen Impfdosen verabreicht worden. Außerdem hat er den ersten Teil des Konjunkturpaketes auf den Weg gebracht, der die Binnenwirtschaft stärken soll. Und nicht zuletzt hat er auch seine Wahrnehmung – Stichwort „Sleepy Joe“ – praktisch um 180 Grad gedreht.
Jaeger: Dem stimme ich voll zu. Er geht bei polarisierenden Problemen einen guten Weg, indem er wenig diskutiert, aber gut und schnell handelt.
2. Könnte seine knappe Mehrheit im Senat ein Problem darstellen?
Jaeger: Er hat den großen Vorteil, dass das Konjunkturpaket eine breite Unterstützung in der Bevölkerung genießt. Das gilt auch für das zweite Infrastrukturpaket, jedoch sind da die Republikaner tendenziell dagegen und das wird schwierig für ihn. Aufgrund der knappen Mehrheit darf er keine Stimmen seitens der Demokraten im Senat oder dem Repräsentantenhaus verlieren. Auch muss man feststellen, dass er bisher nicht der beliebteste Präsident ist – historisch gesehen. Aber immerhin ist er populärer als Trump.
Lüttge: Er plant außerdem Steuererhöhungen für Reiche – das ist generell ein Thema, bei denen die Republikaner blockieren werden. Vielleicht erhöht es aber seine Chancen, dass in der Pandemie sozialistische Ideen eine große Zustimmung in der Bevölkerung bekommen.
3. Das erste Konjunkturpaket ist nun schon verabschiedet, aber wie lange wird das 2. Paket (Green Deal) noch brauchen?
Jaeger: Das zweite Paket mit den Infrastrukturmaßnahmen soll im Juni beschlossen werden – ich schätze, dass er dazu die „Final Budget Reconciliation“ im Senat nutzen wird, wenn es bei den Republikanern zu viel Gegenwind gibt.
4. Meinen Sie, dass es unter Biden striktere Waffengesetzte geben wird?
Lüttge: Ich bin da skeptisch, denn trotz der vielen Tragödien, die sich praktisch monatlich abspielen, ist bisher noch kein Präsident bei diesem Thema wirklich weitergekommen. Jedoch ist es für Biden ein emotionales Thema; er hat öffentlich dazu geäußert, dass er über den momentanen Zustand beschämt ist.
Jaeger: Ich denke, dass für eine moderate Änderung der Rückhalt aus der Bevölkerung da ist. Aber die Waffenlobby hat einen starken Einfluss auf den Kongress, weshalb eine landesweite Gesetzesänderung unwahrscheinlich ist. In einzelnen Staaten könnte aber etwas bewegt werden.
5. Wird sich vielleicht auch etwas an der Einkommensungleichheit unter Biden ändern?
Lüttge: Höhere Steuern für die einkommensstärksten Amerikaner, das wird weiterhin relevant sein, denn Corona hat die untere Mittelklasse am stärksten getroffen. Biden sieht das, denn eine seiner ersten Amtshandlungen waren die Checks über 1.400 Dollar an Bedürftige. Wichtiger sind aber seine geplanten Investitionen in die Infrastruktur, in Weiterbildung für zukunftsträchtige Jobs, in Technologie und in die generelle Zukunftsfähigkeit des Landes.
Jaeger: Er möchte ja auch, dass die Community Colleges gratis werden. Damit haben Geringverdiener bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt und das trägt ein wenig zur Einkommensgleichheit bei.
6. Welche wichtigen Entwicklungen gibt es denn in der Außenpolitik und sind diese neu?
Lüttge: Biden nimmt die Chinapolitik ins Visier. Außerdem möchte er die Zusammenarbeit mit den Alliierten der USA wiederbeleben – also etwa mit Europa und dem Indopazifischen Raum – hier insbesondere mit Indien. Was natürlich ebenfalls wichtig ist, die Klimapolitik wieder aufzunehmen. Dazu zählt, dass er zum Pariser Abkommen zurückkehrt.
Jaeger: Ich sehe noch keine großen strukturellen Änderungen hinsichtlich der Chinapolitik, aber die Herangehensweise ändert sich – er möchte zusammen mit den Alliierten agieren. Momentan konzentriert er sich aber zunächst auf die Innenpolitik und ich denke, dass er auch die außenpolitischen Ziele durch innenpolitische Maßnahmen angehen möchte.
7. Welches Verhältnis hat er denn zu Deutschland?
Lüttge: Chinapolitik ist für ihn mehr vom Wettbewerb als von einem Konflikt geprägt. Es geht aber auch bei China vs USA darum, welche Regierungsform die bessere ist. Merkel ist zurückhaltend, wenn es um Kritik an China geht, das finden die USA natürlich nicht gut.
8. Wie steht es denn mit Russland, etwa wenn es um die Gas-Pipeline nach Deutschland geht?
Jaeger: Es ist ein großer Druck seitens des Kongresses da, eine schärfere Politik gegen Russland zu fahren. Andererseits wollen die Amerikaner Deutschland auch nicht vor den Kopf stoßen. Deutschland sitzt hier zwischen den Stühlen – es bekommt wirtschaftlichen und technologischen Druck aus China und von den USA.
Lüttge: Auch aus EU-Sicht ist die Pipeline problematisch und selbst die Deutschen sind sich nicht einig, wenn es um Nord Stream 2 geht…
Jaeger: Nachdem Putin für den Truppenaufmarsch an der ukrainischen Grenze gesorgt hat, kam schnell die Einladung von Biden zu einem Gipfeltreffen. Diese Provokation Russlands hat also gefruchtet. Aber man sieht auch, dass es gemeinsame Wege gibt, z. B. wurde das gemeinsame Abkommen gegen strategische Nuklearwaffen verlängert. Generell denke ich, dass sich der Fokus seitens Amerika von Russland nach China verschiebt.
9. Und was ist mit dem Nuklearabkommen mit dem Iran?
Jaeger: Für die Neuverhandlungen stehen die Chancen gut, aber was ist mit dem Vertrauen in die Dauerhaftigkeit eines solchen Abkommens? Also was passiert damit nach der Ära Biden? Zumindest ist der Wille auf beiden Seiten da und das ist gut.
10. Als letztes Thema: Können Sie etwas zu den Schwierigkeiten in der Pandemie zwischen Indien und den USA sagen?
Lüttge: Indiens Präsident Modi hatte eine gute Beziehung zu Trump. Generell ist die Beziehung zu Indien nicht schlecht, aber es gab kürzlich ein wenig Unmut, da die USA nicht so viel Unterstützung nach Indien geschickt haben. Vielleicht kann man eher sagen, dass es aktuell zwischen den Ländern nicht so viel Kommunikation gibt. So ist der Sitz des politischen Abgeordneten für Indien durch Biden noch nicht besetzt worden – da war zum Beispiel Obama schneller.
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Über die Autorin:
Katrin Schubert
Katrin Schubert ist an der Universität Witten/Herdecke in der Abteilung Kommunikation und Marketing als Referentin aktiv. Meistens beschäftigt sie sich damit, wie man die Uni-Homepage verbessern kann und welche Infos Studieninteressierte bei der Recherche nach Studiengängen benötigen. Außerdem hilft sie dabei mit, studentische Projekte und Forschungsvorhaben online zu kommunizieren.
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