Direkt zum Inhalt der Seite springen

Blog Universität Witten-Herdecke | “A ruined planet cannot sustain human lives in good health."

“A ruined planet cannot sustain human lives in good health. A healthy planet and healthy people are two sides of the same coin.”

So treffend hat es Dr. Margaret Chan, Executive Director of the World Health Organization, ausgedrückt – UW/H-Studierende berichten aus ihrem Studium fundamentale-Kurs.

Der Zusammenhang zwischen Klimawandel und Gesundheit tritt nur sehr langsam in das Bewusstsein der Öffentlichkeit. Selbst im Medizinstudium wird dieses Thema aktuell noch nicht strukturiert im Rahmen des Curriculums behandelt.

Um das zu ändern fanden sich im Rahmen des Studium fundamentale unter dem Titel „Einfluss des Klimawandels auf die Medizin in Deutschland” Studierende aus Medizin, Management und Pflegewissenschaften zusammen. Das Ziel dabei war es, eine gemeinsame Perspektive zu entwickeln, die dieses Thema in seinen vielfältigen Facetten aufgreift. Schnell kristallisierten sich zwei Pole heraus. Einerseits zeigte sich, dass das Gesundheitssystem zunehmend mit den Folgen des Klimawandels konfrontiert ist, gleichzeitig aber mit einer CO2-Produktion von 55 Millionen Tonnen jährlich ein Hauptverursacher des Klimawandels ist. In Deutschland zum Beispiel macht das Gesundheitswesen 5,5 Prozent der nationalen CO2-Emissionen aus und steht damit an zehnter Stelle weltweit. Welche Konsequenzen hat das für das Gesundheitssystem und seine AkteurInnen? Welche Herausforderungen werden in Zukunft auf uns zukommen? Wie können wir diesen begegnen und Klimaschutz im Gesundheitswesen etablieren?

„Klimaflüchtling”? - gibt´s doch gar nicht!

Am Beispiel von Fidschi wurde die zunehmende Bedrohung durch den Meeresspiegelanstieg und die Zunahme von Zyklonen durch klimatische Veränderungen deutlich. 90 bis 95 Prozent der Bevölkerung leben hier direkt am Wasser. Zyklone zerstören Häuser und Wohnraum, Fischerei ist kaum noch möglich durch Aussterben und Verdrängung von Fischschwärmen. 9000 Dörfer mussten aufgrund des Meeresspiegelanstiegs umgesiedelt werden.

Der Klimawandel hat in den vergangenen Jahren dazu geführt, dass jedes Jahr 20 Millionen Menschen weltweit zur Binnenmigration innerhalb ihres Landes gezwungen wurden. Aufgrund von klimatisch bedingter Migration entstehen in urbanen Regionen vermehrt Slums, vorübergehende Wohngebiete und Camps. Damit einhergehend besteht die Gefahr des Verlusts von sozialen Unterstützungsstrukturen, der Verlust der persönlichen und beruflichen Identität und ein Verlust von Kontrollgefühl und Autonomie.

Besonders problematisch stellte sich hier der Umstand dar, dass es nach der Genfer Flüchtlingskonvention keine „Klimaflüchtlinge“ gibt. Menschen, die aufgrund von klimatischen Veränderungen, Klimawandel oder Folgen des Klimawandels flüchten oder vertrieben werden, haben nach der Genfer Flüchtlingskonvention keinen Anspruch auf Schutz und Asyl. De facto heißt das, es sind für diese vulnerable Gruppe international keine Schutzmechanismen vorhanden.

Aber was haben wir damit zu tun? Für die AkteurInnen in Deutschland werden damit eine Auseinandersetzung mit Krankheit- und Gesundheitsverständnis in unterschiedlichen Kulturen sowie Fremdsprachenkenntnis immer wichtiger, um geflüchtete Menschen besser in unserem Gesundheitssystem behandeln zu können. Neue Antibiotikaresistenzen sowie andere Krankheitsbilder stellen nur einen Teil der bereits heute alltäglichen gesundheitlichen Problemstellungen dar, mit denen sich zukünftig mehr auseinandergesetzt werden sollte.

Klimawandel - kann tödlich sein!

Darüber hinaus alarmierten uns die weitreichenden physischen Auswirkungen auf unsere Gesundheit. Die Vielzahl an Umweltveränderungen, die durch den Klimawandel begünstigt werden, wie extreme Hitze, Luftverschmutzung oder auch Unwetter, haben umfassende Auswirkungen auf unsere Gesundheit. Was das konkret heißt und welche Krankheitsbilder konkret aus klimatischen Veränderungen resultieren ist im Folgenden veranschaulicht.

Ein konkretes Beispiel: Laut einem Lancet Artikel zu Klimawandel und Gesundheit werden zunehmend Vibrionen ein Problem. Die Erreger von Magen-Darm- und Wundinfektionen haben sich seit den 1980er Jahren aufgrund höherer Wassertemperaturen stark vermehrt. Die Anzahl der Tage, an denen man sich mit Vibrionen in der Ostsee infizieren kann, hat sich seither verdoppelt: 2018 waren es schon 107 Tage pro Jahr. Viele Menschen in Deutschland spüren jedoch auch die Verlängerung der Heuschnupfensaison.

Im weiteren Verlauf zeigte sich zudem: nicht nur die physische, sondern auch die psychische Gesundheit ist durch den Klimawandel gefährdet. Akute Wetterereignisse lösen Stress und Ängste  bis hin zu manifesten Angststörungen aus. Als Reaktion auf traumatische Ereignisse entwickeln sich posttraumatische Belastungsstörungen. Ausgelöst werden diese durch Extremwetterereignisse, Personenverlust/-schäden, Verlust oder Schäden an Eigentum oder den Verlust der Lebensgrundlage. So traten z.B. nach Hurrikan Katrina doppelt so häufig Suizide oder Suizidgedanken auf, 49 Prozent der Betroffenen entwickelten eine Angststörung und 30 Prozent eine PTBS.

Dies macht deutlich, dass insbesondere Gemeinden, deren Identität stark von den umgebenden Ökosystemen abhängt, hohe psychische Belastungen bei Klimawandel bedingten Veränderungen zeigten. Im Zusammenhang mit Dürren in Australien wurden zum Beispiel erhöhte Suizidraten unter LandwirtInnen beobachtet. Der Philosoph Glenn Albrecht prägte hierzu den Begriff Solastalgie als Neologismus für existenziellen Stress, der durch Umweltveränderungen eines Ortes ausgelöst wird, zu dem ein Heimatgefühl oder eine Bindung besteht. Solastalgie wurde auch in Deutschland beschrieben, in Gebieten, die vom Braunkohleabbau besonders betroffen sind.

Reduktion der durch das Gesundheitssystem verursachten CO2-Emmisionen

Das Gesundheitssystem kann selbst zum Klimaschützer werden. Zunächst geht es darum, in den dem Gesundheitssystem angehörenden Einrichtungen die aktuelle Situation zu analysieren, auszuwerten und Änderungen zum Wohle des Klimas daraus abzuleiten, letztlich darum, weitere Schädigungen des Klimas zu vermeiden. Durch gezieltes Monitoring und Aufzeichnung von Energieverbrauchsdaten sowie Umweltbelastungen im Gesundheitswesen kann dies gelingen. Hieraus lassen sich dann Konzepte entwickeln, um eine systematische Reduktion der Umweltbelastungen zu erzielen. Handlungsbedarf besteht bei medizinischen Produkten, da diese aktuell für den größten CO2-Ausstoß im Gesundheitswesen sorgen. Ein weiterer wichtiger Punkt stellt das Transportwesen dar, hier sind sowohl Anfahrten durch MItarbeiterInnen sowie Transporte von PatientInnen und ihren Angehörigen betroffen. Zum einen gilt es hier, die Attraktivität von alternativen Mobilitätskonzepten zu steigern, aber auch telemedizinische Anwendungen können die Notwendigkeit für Transporte verringern.

Klimaschutz heißt Gesundheitsschutz

Angela Merkel sagte am 11. Januar 2021: Waldschutz ist auch Gesundheitsschutz. Das bedeutet für uns folgendes:

Als einer der großen Emittenten unter den Gesundheitssystemen weltweit gilt es unserer Meinung nach, den Klimaschutz im deutschen Gesundheitswesen forciert in den Blick zu nehmen und damit die Gesundheit der eigenen PatientInnen zu fördern. Denn neben dem dadurch verursachten Gesundheitsgewinn für PatientInnen, bedeutet das parallel eine Reduktion der CO2-Emissionen und damit wiederum eine Reduktion der Umweltbelastung.

Das RKI hat bereits seit 2013 Hitzeaktionspläne entwickelt, die mögliche Handlungsoptionen für große Hitzewellen aufzeigen. Auch auf den Forschungsbedarf hinsichtlich der Auswirkungen des Klimawandels auf die Gesundheit wird hier schon seit acht Jahren verwiesen. Ebenso die Zunahme und Veränderungen von Infektionserkrankungen wird seit mehreren Jahren thematisiert. Die Bundesregierung hat seit 2013 immer wieder Strategiepläne für die Gesundheitspolitik im Zusammenhang mit dem Klimawandel veröffentlicht.

Doch werden solche Aktionspläne und dringende Handlungsempfehlungen umgesetzt? Wird das Thema im Bereich Gesundheit überhaupt wahr- und ernstgenommen? Wie wird mit all den Herausforderungen, die durch den Klimawandel auf das Gesundheitssystem zukommen, umgegangen? Ist unser Gesundheitssystem ausreichend darauf vorbereitet? Fragen, die weiterhin offen geblieben sind...

UWH?! - Aufgewacht, jetzt geht es um uns!

Aber welchen Handlungsbedarf gibt es eigentlich jetzt bei uns an der Universität, wie können wir uns auf diese Herausforderungen konkret vorbereiten?

  • Ergänzung der Lehrpläne für Studierende der Pflege sowie Psychologie und insbesondere MedizinstudentInnen, die den Klimawandel und seine Auswirkungen auf die Gesundheit berücksichtigen. Die Berücksichtigung aller klimarelevanten Erkrankungsfolgen und Maßnahmen sollten im ganzen Curriculum abgebildet werden. Hier gilt es, Konzepte wie „Planetary Health” als Grundlage für medizinisches Handeln zu etablieren. Die Vernetzung von Ausbildungseinrichtungen für gemeinsamen Klimaschutz über die Global Health Alliance (Hochschulranking, Hochschulnetzwerk, How to Wahlfach Global Health,…) sowie „Planetary Health Campus Ambassadors” bieten hier Austauschmöglichkeiten auf nationaler und internationaler Ebene.
  • Darüber hinaus sollten Überlegungen angestellt werden, wie beispielsweise Lehrkrankenhäuser mehr in die Verantwortung für den Klimaschutz genommen werden können. Konkrete Umsetzungsideen für Klimaschutz im Gesundheitswesen bieten hier unter anderen der BUND mit der Vergabe des Gütesiegels „klimafreundliches Krankenhaus” (47 von 1952 Krankenhäusern in D) sowie auch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit mit dem Projekt KLIK-Klimamanager für Kliniken
  • Klimaschutz - fängt bei dir an! Auch, wenn das wahrscheinlich jede(r) von uns schon einmal irgendwann gehört hat. An dieser Stelle noch einmal: Egal ob students, scientists oder health for future, das Engagement für Klimaschutz sollte im Gesundheitswesen nicht fehlen. Aber es braucht dazu nicht die Unterstützung einer Initiative oder Organisation, schon kleine Dinge jeden Tag tragen zum Klimaschutz bei, wie die Bewegung „Klimaretter-Lebensretter” zeigt: Stoßlüften statt Dauerkipp, zwischendurch mal nicht den Aufzug nehmen, mit dem Rad zur Arbeit,...

Lust auf mehr?

Wenn ihr Interesse daran habt, euch weiter mit dem Thema zu beschäftigen und euch zu informieren, findet ihr unter dem Link die Präsentation, die wir im Rahmen dieses Stufu-Kurses erstellt haben. Sie verschafft euch einen Überblick über die Herausforderungen, Lösungsstrategien und Handlungskonzepte.

(PDF) Auswirkungen des Klimawandels auf das Gesundheitswesen (researchgate.net)

 

Weitere Infos findet ihr hier:

Health Care Without Harm (noharm.org)

Climate change (who.int)

RKI - Gesundheit A-Z - Klimawandel und Gesundheit

Globale Herausforderungen der Gesundheitspolitik - Bundesgesundheitsministerium

Gesundheit im Klimawandel | BMU

Übersicht zum Thema Klimawandel und Gesundheit mit vielen Links zu Studien, New England Journal of Medicine: https://www.nejm.org/climate-crisis

Planetary Health Diet: https://www.theguardian.com/environment/2019/jan/16/new-plant-focused-diet-would-transform-planets-future-say-scientists

 

Lust, euch zu engagieren?

Aktionsforum für alle Angehörigen aus dem Gesundheitsbereich: https://healthforfuture.de/aufruf/

Stiftung "Gesunde Erde - Gesunde Menschen": https://stiftung-gegm.de/index.html

Von der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit (KLUG) gegründetes Forum: https://www.klimawandel-gesundheit.de/klimawandel-gesundheit/

Schreibe einen Kommentar
* Pflichtfelder

Kommentare

Keine Kommentare vorhanden.