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Blog Universität Witten-Herdecke | „Bittere Orangen“

„Bittere Orangen“

Über (un)faire Arbeitsbedingungen auf Orangenplantagen

In der kalten Jahreszeit gehören Orangen fast schon zur Grundausstattung jedes Weihnachtstellers. Was häufig vergessen wird: Die Anbaubedingungen im Globalen Süden und in Europa gleichen teilweise moderner Sklaverei. Wo die Probleme liegen und wie die UW/H für Fragen der globalen Gerechtigkeit sensibilisieren möchte, berichtet Nachhaltigkeitsmanagerin Annaliesa Hilger.

Vom Wissen zum Handeln: Faire Produkte, aktueller denn je

Die drohende Überschreitung weiterer Belastungsgrenzen unserer Erde (wie die der biologischen Vielfalt oder der Klimawandel) verschärft soziale Ungleichheiten – global wie lokal. Das Thema „Fairtrade“ ist bekannt, wir wissen über die negativen Folgen ungleicher Handelsbeziehungen, über schlechte und ungesunde Arbeitsbedingungen, über Kinderarbeit und über Löhne, von denen Menschen nicht wirklich leben können. Fairtrade ist ein Thema, mit dem sich schon in den 1970er Jahren auseinandergesetzt wurde.

Gleichwohl es seit Jahrzehnten nicht an Wissen über die Bedeutung fairer Handelsbeziehungen mangelt, ist es heute weiterhin eine Herausforderung, nicht im Diskurs zu verharren, sondern vom Wissen zum Handeln zu kommen. So altbacken dieser Slogan ist, so aktuell ist er zugleich.

Auch an der UW/H möchte wir dazu beitragen, für Fragen der globalen Gerechtigkeit zu sensibilisieren und Studierende, Mitarbeitende und die Öffentlichkeit zum Handeln zu ermutigen. Im Juni 2021 ist die UW/H als erste Universität im Ruhrgebiet mit dem Titel „Fairtrade University“ ausgezeichnet worden. Mit der Auszeichnung des Vereins Fairtrade Deutschland haben wir uns dazu verpflichtet, faire Produkte umfassend auf dem Campus anzubieten und Aktionen und Veranstaltungen zum Thema fairer Handel durchzuführen.

 

Nicht nur im Globalen Süden: (Un)Faire Arbeitsbedingungen auf Orangenplantagen

Häufigstehen im Diskurs um faire Handelsbeziehungen Produkte wie Kaffee, Schokolade oder Tee im Fokus. Weniger bekannt ist die Tatsache, dass auch die Ernte von Orangen in Europa selten fair ist. In Süditalien ermöglicht häufig erst die Ausbeutung von Arbeiter:innen den Betrieb von Orangenplantagen. Multinationale Konzerne und Handelsketten diktieren den Landwirtschaftstreibenden Preise, die weit unter den Produktionskosten liegen. So drücken große Handelsketten den Preis auf nur 12 Cent/kg. Die Produktionskosten liegen bei mindestens 20 Cent/kg. Dieser Preisdruck wird an die Arbeiter:innen – in der Regel afrikanische Geflüchtete – direkt weitergegeben. Sie arbeiten meist als Tagelöhner auf den umliegenden Plantagen für maximal 25 Euro am Tag.

Um ihnen zu helfen, gründete eine Gruppe von Aktivist:innen, Landwirt:innen und Tagelöhnern „SOS Rosarno“. Der Verein beschäftigt Migrant:innen unter regulären Arbeitsverträgen und zahlt ihnen Tariflöhne sowie Sozialbeiträge. SOS Rosarno vertreibt Orangen aus ökologischem Anbau, organisiert den Verkauf an Bioläden und Gruppen solidarischen Konsums und stellt direkten Kontakt zwischen Landwirt:innen, Arbeiter:innen und Einkaufsgemeinschaften her – ohne Zwischenstufen des Handels. So erhalten Arbeiter:innen und Landwirt:innen einen fairen, würdevollen Lohn, der ihrer harten Arbeit gerecht wird.

 

Vom Handeln zum Wissen: Orangen-Geschenkaktion an der UW/H

Dieses Thema wollen wir an der UW/H in der Weihnachtszeit verstärkt in den Fokus rücken. Am Beispiel Orangen möchten wir unter dem Motto „süß statt bitter“ Aufmerksamkeit schaffen für (un)faire Arbeitsbedingungen, mögliche Lösungen aufzeigen und Studierende wie Mitarbeitende auf den Geschmack von fairen Orangen bringen.

Deshalb verschenkt das Hochschulwerk am 7. Dezember in Kooperation mit dem Initiativlabor und der Vernetzungsstelle Nachhaltigkeit auf dem Campus fair gehandelte Orangen von der Initiative SOS Rosarno aus der italienischen Region Kalabrien. Die Orangen werden ab 11 Uhr im Hauptgebäude vor der Cafeteria verteilt (so lange der Vorrat reicht).

Ihr seid auf den Geschmack gekommen? Weitere Möglichkeiten des fairen Konsums gibt es beispielsweise im Weltladen Witten, bei den Marktschwärmern Witten oder als Direktverkäufe bei Crowdfarming.

Weiterführende Informationen

Wer sich anschließend intensiver mit dem Thema beschäftigen möchte, kann sich am 7. Dezember ab 19:30 im Online-Vortrag über die Situation der Wanderarbeiter:innen auf den Orangenplantagen um Rosarno informieren. Zu Gast ist Prof. Gilles Reckinger. Der Europäische Ethnologe forschte und forscht in Rosarno intensiv zu den Arbeits- und Lebensbedingungen der Erntehelfer:innen auf den Orangenplantagen. Der Vortrag wird organisiert von der AG „Eine-Welt-Gruppen“. Anmeldung hier

Auch im Podcast Fair, #18 „Ausgepresst: ‚Illegale‘ bei der Orangenernte“, berichtet Prof. Dr. Gilles Reckinger über Arbeitsbedingungen in Kalabrien bei der Orangenernte.

Mehr zu den Hintergründen der Orangen-Aktion findet ihr auch auf der Website der Arbeitsgemeinschaft Eine-Welt-Gruppen .

Über die Autorin

Annaliesa Hilger

Annaliesa Hilger ist Nachhaltigkeitsmanagerin an der Universität Witten/Herdecke.

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