PPÖ - Strukturwandel vor der Haustür
Im Format „PPÖ in der Praxis“ werden Theorien auf lebensnahe Szenarien angewendet und diskutiert
Bei Studiengängen wie Philosophie, Politik und Ökonomik (PPÖ) werden oftmals Entwicklungen in fernen Ländern betrachtet – etwa politisch-gesellschaftliche Herausforderungen in China, Afrika oder Südamerika. Aber Beispiele für das komplexe Zusammenspiel zwischen Wirtschaft und Gesellschaft sowie für die Notwendigkeit ihrer philosophisch-ethischer Reflexion finden sich auch vor unser aller Haustür: Welche politischen Beschlüsse werden gefällt und wie wirken sie sich volkswirtschaftlich aus? Welche gesellschaftlichen Fragen und Herausforderungen bringen sie mit sich? Das PPÖ-Bachelor Seminar an der Uni Witten/Herdecke „Aktuelle Themen: Globalisierung, Struktureller Wandel und Unternehmensstrategie: Das Ruhrgebiet als Fallstudie”bot in diesem Semester Gelegenheit, dafür ein Gespür zu entwickeln. Hierbei stand das Ruhrgebiet bzw. die Metropolregion Ruhr und ihre Entwicklung im Fokus. Die Besonderheit des transdisziplinären Seminars: Neben Dozierenden aus den Bereichen Volkswirtschaftslehre, Political Economy und Betriebswirtschaftslehre war mit Unternehmensvertretern sowie Mitarbeitern der Business Metropole Ruhr auch die Praxisseite vertreten.
Der strukturelle Wandel im Ruhrgebiet und der Wandel der Strategien im Umgang damit
Das Ruhrgebiet hat eine spannende Entwicklung hinter sich, denn seit den 60-er Jahren wurden unterschiedliche politische Strategien genutzt, um den Wandel weg von der Kohle- und Stahlproduktion zu gestalten:
- 1966 – 1974: Integrierte Strukturpolitik (EPR)
Hierbei ging es vor allem um den sozialverträglichen Beschäftigungsabbau in der Steinkohleindustrie, den Ausbau der Infrastruktur und der Steigerung der Lebensqualität. Allerdings wurde hierbei nur in die bestehende Industrie investiert, eine echte Weiterentwicklung der Region gab es nicht. - 1975 – 1986: Zentralisierte Strukturpolitik (APR)
Dabei stand weiterhin die Infrastrukturentwicklung und Stadterneuerung im Fokus, aber auch eine Technologieförderung und Investitionen in Aus-/Weiterbildungsmöglichkeiten. Ein Problem dabei war, dass politische Absprachen bezüglich der Zuständigkeiten fehlten und auch wieder die alte Monoindustrie hauptsächlich Berücksichtigung fand. - 1987 – 1999: Regionalisierte Strukturpolitik (IBA)
Ab diesem Zeitpunkt ist der StrukturWANDEL stärker spürbar. Bei diesem Programm wurden altindustrielle Gebäude zu Stätten für Kultur, Kunst, Freizeit und Wohnen umgewandelt. Es war der Beginn einer wertschätzenden Einstellung gegenüber dem industriellen Erbe und die Potenziale der einzelnen Städte und Subregionen wurden herausgestellt. - 2000- heute: Kompetenzfeldorientierte Strukturpolitik
Heute ist die Verbindung zwischen der Region und ihrer Wirtschaft stärker. Organisationen wie die Metropole Ruhr vernetzen politische Einrichtungen mit Wirtschaftsunternehmen, fördern die lokale Kultur und erarbeiten Strategien, um das Ruhrgebiet auch in Zeiten der Globalisierung konkurrenzfähig zu halten. Hierbei spielt die Bildung eine große Rolle.
Fachbegriffe
Was ist Strukturwandel?
Der Strukturwandel ist ein zumeist ein in den Wirtschaftswissenschaften benutzter Begriff, der Änderungen der Wirtschaftsstruktur in und zwischen den drei Sektoren Landwirtschaft (primärer Sektor), Industrie (sekundärer Sektor) und Dienstleistungswirtschaft (tertiärer Sektor) beschreibt.
Was ist Strukturpolitik?
Strukturpolitik ist Teil der Wirtschaftspolitik und beschreibt politische (also auch institutionelle und rechtliche) Interventionen mit dem Ziel, den Strukturwandel zu beeinflussen.
Business Metropole Ruhr
Neben politischen Programmen ist auch die Entwicklung einer diversen und stabilen Wirtschaft für eine Region prägend. Dies ist die Hauptfunktion der Wirtschaftsförderung, denn ohne eine stabile Wirtschaft fehlen Arbeitsplätze für die Menschen und Steuereinnahmen für die Regierung. Seit 2007 ist die Förderung der Wirtschaft und des Wandels im Ruhrgebiet mit der BMR - Business Metropole Ruhr (einem Subunternehmen des Regionalverbands Ruhr) institutionalisiert. Zu den Aufgaben der BMR zählt es, den Standort für die Ansiedlung neuer Unternehmen zu vermarkten und ihn attraktiv und damit auch konkurrenzfähig zu machen. Hierzu ist die Netzwerkbildung zwischen den Unternehmen aber auch zu entscheidenden politischen Stellen wichtig. Für die Wirtschaftsförderung wird aktuell der Ansatz verfolgt, interessante Anwendungsfelder für neue Technologien zu finden und auf Kundenbedürfnisse auszurichten. Dazu werden die positiven Wechselwirkungen zwischen Unternehmen, Start-ups und Hochschulen sowie die unterschiedlichen Stärken, die die Städte besitzen, genutzt.
In Zukunft wird die Förderung von herausragenden Kompetenzen für den Standort Ruhrgebiet noch wichtiger werden. Denn nach den neuen Richtlinien der Europäischen Kommission werden Regionen eine Smart Specialisation Strategy (S3) entwickeln müssen, um an Fördergelder der EU zu gelangen. Der Transformationsprozess in der Metropolregion Ruhr ist also noch lange nicht abgeschlossen.
Über 50 Jahre Strukturwandel – ist jetzt alles gut?
Nach zahlreichen politischen Agenden und Programmen zur Wirtschaftsförderung steht auch die gesellschaftliche Entwicklung zur Diskussion. Denn nicht das komplette Ruhrgebiet profitierte bisher vom Strukturwandel. Entlang der Autobahn A40 lässt sich ein soziales und ökonomisches Nord-Süd-Gefälle erkennen.
Während tendenziell im Süden die Arbeitslosenquote niedriger ist, mehr High-Tech Unternehmen ansässig wurden und auch der Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund vergleichsweise klein ist, sind gesellschaftliche Probleme wie Arbeitslosigkeit und Segregation im Norden höher.
- Was also tun, damit das nördliche Ruhrgebiet nicht abgehängt wird?
- Ist die alleinige Förderung von herausragenden Subregionen eine gute Strategie?
- Wie kann man nicht nur für Eliten, sondern für breite Bevölkerungsschichten Arbeitsplätze schaffen?
- Wie beeinflussen regionale Strukturen den Umgang einzelner Unternehmen mit den Herausforderungen des Strukturwandels?
Diese und viele weitere Fragen gehören zu den Diskussionen und Debatten innerhalb des Seminars. Wie würdest du auf diese Fragen antworten und war dir bewusst, wie komplex der Strukturwandel im Ruhrgebiet ist? Schreibe deine Gedanken gerne in die Kommentare hier oder auf unseren sozialen Kanälen.
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Über die Autorin:
Katrin Schubert
Katrin Schubert ist an der Universität Witten/Herdecke in der Abteilung Kommunikation und Marketing als Referentin aktiv. Meistens beschäftigt sie sich damit, wie man die Uni-Homepage verbessern kann und welche Infos Studieninteressierte bei der Recherche nach Studiengängen benötigen. Außerdem hilft sie dabei mit, studentische Projekte und Forschungsvorhaben online zu kommunizieren.
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