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Blog Universität Witten-Herdecke | Studieren und Leben im Ruhrgebiet

Studieren und Leben im Ruhrgebiet

Natur, Nostalgie und lange Nächte: Eine Reise durch die Ruhr-Region

Der Studienstandort ist natürlich ein entscheidender Faktor bei der Studienwahl. Für viele junge Menschen spielt die Attraktivität der Stadt eine große Rolle. Immerhin verbringt man hier, je nachdem, ob man ein Bachelor- oder Masterstudium macht, mindesten zwei bzw. drei Jahre und hofft auf die vielleicht beste Zeit seines Lebens. Findet man einen Studienplatz in Städten wie Berlin, Hamburg oder München braucht man nicht lange überlegen: Man kennt die Metropolen aus diversen Kurztrips bei Freunden und generell sind sie ein beliebtes Ausflugsziel. Gerät der Fokus auf kleinere Studienstandorte, so muss man schon genauer hinsehen und manchmal richtig in die Recherche gehen.

Auch viele kleinere Städte im Ruhrgebiet sind relativ unbekannt oder haben aufgrund des weiterhin insgesamt eher schlechten Images der Region einen schweren Stand.

Zu Unrecht findet unser Autor Kay Gropp und nimmt euch mit auf eine Reise durch das vielseitgige Ruhrgebiet und gibt wertvolle Freizeittipps für euren Ausgleich zum Studium (auch für die Berufstätigen unter euch sehr empfehlenswert). Ausgangspunkt ist die Stadt Witten.

Alle wollen nach Berlin? Wir nicht! Das Ruhrgebiet – und da liegt Witten mitten drin – ist größer und abwechslungsreicher als Berlin.

Ok, das sind Zahlen und Fakten, das wirklich spannende an Witten, bzw. dem Ruhrgebiet, kannst du noch nicht richtig „fühlen“? Dann mal ein paar Vorschläge, wie du die Zeit außerhalb von Seminar und Bibliothek füllen kannst.

Outdoor geht (auch und vor allem während Corona) immer

Witten liegt – wie gesagt - im Ruhrgebiet zwischen Dortmund und Bochum und dann südlich. Das Ruhrgebiet ist eine Ansammlung größerer Dörfer zu einer Metropolregion, die mit über 10 Mio. Einwohnerninnen und Einwohnern zu den 40 größten weltweit zählt! Und Witten liegt quasi auf dem Südbalkon mit Aussicht auf das Bergische bzw. Sauerland.

Wer sich einen Überblick über die Vielfalt der Region zwischen Natur und Kultur verschaffen möchte, kann das z. B. auch mit dem Rad erledigen: Von der Quelle der Ruhr in Winterberg bis zur Mündung in Duisburg führt der 240 km lange Ruhrtalradweg.

Dunkele Fichtenwälder zu Beginn gehen über in weite Flussauen mit kleinen Metallbetrieben und spätestens ab Dortmund kommt man an den Zeugen der Industriegeschichte vorbei: Zechen, die längst stillgelegt sind und Seen, die angelegt wurden, um als große Klärbecken für die Abwässer der Zechen zu funktionieren. Heute gibt es besseres Wasser und auch zwischendrin viele weitere Radwege auf alten Trassen der Zechenbahnen – ohne Steigungen, aber mit vielen Sehenswürdigkeiten.

Wem das zu flach ist, der kann auch ein paar mehr Höhenmeter machen und über den Ruhrhöhenweg wandern: Wenn es etwas kürzer sein soll und weniger Wanderung als Spaziergang, dann bietet sich der Hohenstein oder Schloss Steinhausen an. Und gleich nebenan in Hattingen-Blankenstein lockt der Gethmannsche Garten.

Bergbau übertage

Das Ruhrgebiet ist für Kohle und Stahl in Deutschland, aber auch darüber hinaus, berühmt und berüchtigt: Noch heute glauben ja viele Menschen, dass hier die Kamine und Hochöfen Tag und Nacht rauchen. Ok, es gibt noch ein paar Stahlwerke an der Ruhrmündung in Duisburg oder eine Walzstraße in Bochum, aber die letzte Zeche Prosper-Haniel in Bottrop hat 2018 das letzte Stück Kohle nach oben geholt und seither ist der Bergbau Geschichte, wie z. B. diese Doku im WDR zeigt.

Aber Bergbau findet sich an vielen Stellen noch zum Nachfühlen. Im Bergbaumuseum in Bochum, das einen kleinen Eindruck von dem Gefühl im Streb ermöglicht, auf Zollverein in Essen, die einst größte Zeche Europas - heute Unesco-Weltkulturerbe und Ikone der Industriegeschichte - mit angeschlossener Kokerei und Ruhrmuseum, in Gelsenkirchen ein ganzer Park rund um die ehemalige Zeche Nordstern, in Dortmund-Eving die Zeche Zollern oder die ehemalige Kokerei Hansa.

Vom Stahl ist weniger übrig: In Dortmund ist heute der Phoenix-See, wo einst das Stahlwerk von Hoesch rauchte und in Bochum steht der Westpark um die Jahrhunderthalle herum. In Duisburg im Nordpark kann man heute noch auf so einen Hochofen fast 70 Meter hochsteigen oder in Oberhausen den Gasometer besuchen, der von dem HOAG-Stahlwerk das einzige Überbleibsel ist. Der Rest ist heute Centro-Oberhausen, die Konsummeile.

In Witten kann man auch in den Ursprung des Ruhrbergbaus eintauchen: Entlang der Ruhr liegen die Kohlenschichten oft an der Erdoberfläche oder nur ein paar Schaufeln tiefer. Die Zeche Nachtigall in Witten lädt zur Besichtigung ein und man kommt mit wenigen Schritten tatsächlich bis ins Kohleflöz. Oder (in Zeiten von Corona ganz praktisch) per Video. Ringsrum gibt es viel Wald mit einem 8 Kilometer langen Wanderweg zur Geschichte des Bergbaus

Bergauf und Bergab

Es gibt allerdings auch Leute, die munkeln, hier gäbe es viele Singletrails zum Mountainbiken. Wo viele Leute eng zusammenkommen, sind Mountainbikerinnen und Mountainbiker nicht immer gerne gesehen, etwas Rücksicht ist also zu empfehlen, damit nicht weitere Trails geschlossen werden. Etwas weiter im Norden bieten sich dann auch andere Hinterlassenschaften des aktiven Bergbaus fürs konfliktfreie bergauf und bergab an: Die Halde Hoheward zwischen Herten und Recklinghausen ist dafür „optimiert“ worden.

Apropos Outdoorsport: Wer einen Hochseilgarten sucht, findet ihn in der Nachbarstadt Wetter und in vielen anderen Städten der Region (Velbert, Oberhausen, Dortmund, Recklinghausen). Zum Bouldern gibt es einige Felsen und natürlich auch bei Youtube vorzubesichtigen ab etwa 4:13. Und den Isenberg für die Menschen, die Knoten in Seile machen können und denen das Rumlümmeln auf dem Crashpad nicht reicht. Auch wenn das Wetter für draußen nicht reicht, ist zum Klettern indoor im Ruhrgebiet einiges geboten. Und um das Thema „Outdoorsport auch indoor möglich“ zum Abschluss zu krönen: Skifahren geht hier, Fallschirmspringen hier. Beides in Bottrop.

Oder ins Nasse

Jetzt aber wieder mehr Ideen für richtige Frischluft. Paddeln zum Beispiel kann man auf der Ruhr, in dem man sich mit mehreren ein Boot leiht oder wenn man schon eins hat, dann mit einem Verein in der Nähe Kontakt aufnimmt. Wer aufs Wasser will, um den Wind zu nutzen, der wird am Kemnader See, dem Harkort See oder Baldeneysee glücklich. Für Unterwasser bietet sich der eher flache Kemnader See nicht so an, aber in Duisburg kann man in einem Gasometer sogar Wracktauchen, weitere Reviere finden sich in den Seen des Bergischen Landes und des Sauerlandes mehr als genug. In Duisburg steht eine Liftanlage für Wakeboard- und Wasserskifans bereit. Wer es gemütlicher angehen lassen will, kann sich mit den Schwalben auf Tour begeben oder sich ebenfalls auf dem Kemnader See schippern lassen.

Der Staub muss runter

Wer die staubige Luft unter Tage mal geatmet hat, der ahnt, wie groß der Durst im Revier war, als der Bergbau noch aktiv war: Dortmund war mal die bedeutendste „Bierstadt“ Deutschlands. Davon zeugt heute noch das Dortmunder U als Rest der Dortmunder Unionbrauerei. Und wer es ganz kulturell angehen möchte, kann ja ins Brauereimuseum gehen. In Bochum ist die Fiege-Brauerei heute noch bedeutend und in Essen Stauder.

Jetzt kriegt man ja so ein Pilsken so trocken nicht runter, darum braucht es einen „Kurzen“ dazu. In Witten stellt den die Brennerei Sonnenschein heute noch her. Besichtigungen und Verkostung jederzeit möglich – wenn Corona nicht wäre. Im Hochschulwerk der Uni Witten/Herdecke gibt es von den Sonnenscheinern übrigens einen ganz runden Grappa mit dem schönen Namen „Wittner Geist“. Falls sich also jemand fragt, wo der denn zu finden ist…

Das Runde und das Eckige

Ebenso wie die Industriegeschichte gehört natürlich auch die Fußballgeschichte zum Revier dazu. Das „Classico“ heißt hier Revierderby und wer jetzt noch nicht weiß, wer da gegen wen spielt, kann den Absatz gleich überspringen. Oder arbeitet seine Bildungslücke im Fußballmuseum auf.

Alle anderen können darauf hoffen, vielleicht irgendwann mal eine Karte zu ergattern, bis dahin gibt es nur Stadionführungen (nach Corona vielleicht wieder) im schönsten Stadion der Welt. Oder in der anderen Stadt oder auch mal in der Spielklasse drunter? (Hinweis aus der Redaktion: Die Reihenfolge könnte sich bald ändern).

Hin und Her

Zu Beginn war schon die Rede davon, dass das Ruhrgebiet aus vielen Städten besteht, die zunächst weit auseinanderlagen. Mit Kohle und Stahl wuchsen sie schnell und heute stehen Ortschilder am Rande von vierspurigen Durchgangsstraßen. Das hat Folgen: Für den ÖPNV die, dass es keinen gibt, der die Region anständig verbindet. In den einzelnen Städten funktioniert alles so einigermaßen, aber über Städtegrenzen hinweg geht wenig. Straßenbahnen haben unterschiedliche Spurweiten, einige Städte haben nur Busse und keine Straßenbahnen und auf abgestimmte Fahrpläne warten wir noch alle gespannt im Ruhrgebiet. Andere Metropolen, die um eine einzige Stadt herum gewachsen sind, haben da gegenüber dem Revier klar Vorteile.Darum ist die Fahrt von A nach B im Revier oft länger als man denkt. Nach langem Warten gibt es zumindest endlich eine App, die es schafft, alle Verkehrsverbünde zu bündeln: mobil,nrw.

Was beim ÖPNV das Minus ist, ist bei der Kultur das Plus. Jede Stadt hat ihre Museen, Theater, Schwimmbäder und das komplette Programm. Kann man als Verschwendung sehen, kann man aber auch genießen.

Culture-Club

Überregional dürfte das Essener Folkwang-Museum mit seiner klassischen Moderne, der Fotografie und der Plakatkunst das bekannteste sein. In Duisburg lockt das Museum Küppersmühle mit seiner modernen Kunst, in Bottrop das Quadrat mit den gleichformatigen Bildern von Josef Albers und in Dortmund das Museum am Ostwall, das allerdings nicht mehr an der namensgebenden Straße liegt, sondern im Dortmunder U. Weniger bekannt ist das Museum in Gelsenkirchen, das eine einzigartige Sammlung von kinetischer Kunst zeigt und das Museum in Bochum. Auch in Bochum zeigt das kleine Museum unter Tage „Situation Kunst“ mit „Weltsichten“ eine Dauerausstellung zur Wahrnehmung der Umwelt und Sonderausstellungen zur modernen Kunst. Bundesweit einmalig dürfte das Skulpturenmuseum in Marl sein, exotisch eher das Ikonenmuseum in Recklinghausen.

Bühne auf

Das Schauspielhaus Bochum war unter Klaus Peymann die erste Adresse in der damaligen BRD, heute sieht Theater eher Essen  und Oberhausen vorne. Oder Dortmund. Das wechselt. Aber nur Essen und Dortmund sind Vollsortimenter mit Theater, Oper und Tanz. Das Theater an der Ruhr in Mülheim spielt sich oft in den Bewertungen nach vorne. Jedenfalls: Im Ruhrgebiet ist es zur nächsten Bühne nicht weit. Konzerte in den Philharmonien in Essen, Bochum oder Dortmund runden das Programm ab. Das Musiktheater im Revier in Gelsenkirchen ist so wie das Aalto-Theater in Essen schon architektonisch eine Reise wert.

Kleinkunst und Kulturzentren

Die Werkstatt in Witten ist das nahegelegenste soziokulturelle Zentrum, aber die Zeche in Bochum, der Bahnhof Langendreer, das Fletch Bizzel in Dortmund, der Mondpalast in Wanne-Eickel oder das Stratmanns in Essen bieten das Gegenprogramm zur großen Bühne und schaffen Platz für Kleinkunst und/oder Musik. Nach dem großen Sterben der Musicaltheater ist der Urahn aller dieser Bühnen, das Starlight-Express in Bochum seit 1988 (!) unbeirrt auf der Schiene.

Neben den Kino-Ketten gibt es in fast jeder Stadt noch sehenswerte Programmkinos. Das pompöseste Kino bietet Essen mit der Lichtburg. 1250 Sitzplätze bieten einfach eine fette Szene für regelmäßige Filmpremieren mit Schauspielern, Regisseuren und roten Teppichen. Nicht Cannes, Berlin oder Venedig, aber einfach sehenswert. Wer Kino mit Liegesitzen möchte, geht nach Bochum ins Planetarium und lässt sich den Sternenhimmel erklären.

Soweit von mir. Welche Ausflugsziele im Ruhrgebiet könnt ihr empfehlen? Ab in die Kommentare damit!

 

Über den Autor

Kay Gropp

Kay Gropp ist Redakteur in der Abteilung Kommunikation & Marketing der Universität Witten/Herdecke.

 

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