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Blog Universität Witten-Herdecke | Die sozial-ökologische Krise im Lehrplan

Auf dem Weg zu einer „Wittener Bildung für nachhaltige Entwicklung“

Die sozial-ökologische Krise im Lehrplan

In den 2020er Jahren ist klar: Die Studierenden von heute werden in ihrem Berufsleben die Auswirkungen globaler Krisen erleben: Von der Ärztin, die Patient:innen mit Hitzestress behandelt, über den Unternehmer, der Ressourcenknappheit antizipieren und managen muss, bis zur Politikerin, die ihre Region für Extremwetterereignisse rüsten will. Zugleich studiert gerade eine hochgradig sensibilisierte Generation, die die Fragen nach dem Umgang mit den Krisen sehr bewegt. Gute Lehre bedeutet daher, die multiplen Herausforderungen der sozial-ökologischen Transformation als festen Bestandteil im Lehrplan zu integrieren.

Dies betrifft alle Studiengänge. An der Uni Witten/Herdecke sind wir überzeugt: nachhaltige Entwicklung ist kein Fach, das isoliert von anderen Lebens- und Arbeitsbereichen studiert werden kann. Es ist eine Querschnittsherausforderung, kein Add-on. Daher sollte Nachhaltigkeit auch genau dort bearbeitet werden, wo fachwissenschaftliche Feinheiten beachtet werden können, die jeweiligen spezifischen Rahmenbedingungen bekannt sind und der Transfer zu den jeweiligen Studieninhalten einfach gelingt. Deshalb verankern wir Nachhaltigkeit fest im Curriculum aller Studiengänge der UW/H. Wer sich noch tiefer mit den Themen befassen will, kann im Studium fundamentale zusätzlich Kurse zum Schwerpunkt „Nachhaltigkeit und Transformation“ belegen.

Wissen allein reicht aber nicht aus. Nicht nur aufgrund des vieldiskutierte Gaps zwischen Wissen und Handeln – die sozial-ökologische Krise ist so wuchtig, geht mit so vielen Veränderungen und Hemmnissen einher, dass das alleinige Wissen hierum bedrückend ist. Umso wichtiger ist es, die Studierenden mit Bewältigungsstrategien auszustatten, um mit Stress, Angst, Überlastung und Hoffnungslosigkeit besser umgehen zu können und zugleich ins Handeln zu kommen.

 

Bildung für Nachhaltige Entwicklung: Was bedeutet das eigentlich konkret in der Lehre?

Wie eine Bildung zur sozial-ökologischen Krise konkret gestaltet sein soll, beantwortet der (inter-)nationale Diskurs um das Bildungskonzept „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ (BNE). Hochschul-BNE befähigt Studierende durch wissenschaftliche und ethische Bildung dazu, Nachhaltigkeitsherausforderungen zu verstehen, zu bewerten sowie Möglichkeiten der Veränderung und Handlung zu finden und zu erproben. Ziel ist es, die Studierenden zu empowern, sich aktiv den Herausforderungen einer sozial-ökologischen Entwicklung heute und in Zukunft zu stellen.

Gemeinsamkeiten zwischen der Bildung für nachhaltige Entwicklung und der Wittener Didaktik

Die Wittener Didaktik möchte Studierende zur persönlichen und gesellschaftlichen Verantwortungsübernahme befähigen. Somit haben die Wittener Didaktik und BNE viele Überschneidungspunkte und Gemeinsamkeiten, wobei BNE die Wittener Didaktik um die Herausforderungen der sozial-ökologischen Krise spezifiziert. Zugleich bietet BNE einen Anschluss an den internationalen und nationalen Didaktik-Diskurs.

Für die konkrete Umsetzung in der Lehre gibt es eine Liste an 13 BNE-Merkmalen, die ich gemeinsam mit Prof. Ehlers, Vizepräsident für Lehre und Lernen, aus bestehender Literatur zu Merkmalen einer (Hochschul-)BNE und BNE-Kompetenzen sowie der Wittener Didaktik abgeleitet und verdichtet habe. Diese Merkmale werden im Dialog mit Dozierenden der UW/H kontinuierlich angepasst, erweitert und überarbeitet:

  1. Zukunftsrelevante Inhalte: Themen, die eindeutig eine nachhaltige Entwicklung adressieren (u. a. Bezug zu den Sustainable Development Goals)
  2. Interesse der Studierenden: Orientierung an der Lebenswirklichkeit der Studierenden
  3. Eigenverantwortliche und partizipative Lernprozesse: Eigenständige und selbstbestimmte Wissensaneignung durch Mitgestaltung durch Studierende
  4. Systemische Betrachtung: Systemische Analyse von komplexen Wechselwirkungen und Folgen über verschiedene Bereiche und Skalen hinweg
  5. Perspektivenvielfalt: Berücksichtigung verschiedener Dimensionen von Nachhaltigkeit, unterschiedlicher Wissensbestände und verschiedener Perspektiven auf ein Problem
  6. Förderung der Urteilsfähigkeit und Ambiguitätstoleranz: Erkennen und auseinandersetzen mit Widersprüchen, Unwägbarkeiten, Zielkonflikten und Risiken
  7. Förderung der Werteorientierung: Auseinandersetzung mit ethischen Fragen einer nachhaltigen Entwicklung und Bezug zu gesellschaftlichen Werten, Normen und Praktiken
  8. Reflexionsfähigkeit und individuelle Persönlichkeitsbildung: Auseinandersetzung mit individuellen Werten und Weltanschauung sowie Reflexion der Möglichkeiten und Grenzen des eigenen Handelns im Bezug zu einer nachhaltigen Entwicklung
  9. Entwicklung von Zukunftsperspektiven: Entwicklung von relevanten Zukunftsperspektiven für eine nachhaltige Entwicklung
  10. Partizipation und Mitgestaltung: Auseinandersetzung mit Möglichkeiten der Beteiligung an gesellschaftlichen Veränderungen
  11. Transfer und Implementation: Anwendung des Wissens auf konkrete Kontexte und Identifizierung von Handlungsmöglichkeiten
  12. Nachhaltigkeitsherausforderungen im Fach & zukünftigen Berufsfeld: Auseinandersetzung mit Fragen der Wissenschaftsethik, der Rolle und Verantwortung des eigenen Fachs und zukünftigen Berufs
  13. Bewältigungsstrategien und Resilienz: Reflexion über belastende Gefühle und Strategien zum Umgang mit bereits stattfindenden nicht-nachhaltigen Veränderungen

Eine erfolgreiche BNE-Lehrveranstaltung muss nicht alle Merkmale vollumfänglich abdecken. Vielmehr ist es sinnvoll, Akzente zu setzen und alle Lehrveranstaltungen aufeinander abzustimmen, so dass sie sich im Laufe des Studiums ergänzen. Eine ausführliche Darstellung der Merkmale ist auf der Homepage der Hochschuldidaktik zu finden, ebenso wie Weiterbildungen zu BNE.

Die Merkmale zeigen auch auf, dass viele Aspekte von BNE bereits in Wittener Lehrveranstaltungen enthalten ist: Sowohl hinsichtlich des Formats als auch der Inhalte. In den nächsten Jahren wird es darum gehen, sichtbar zu machen, was bereits vorliegt und die Lücken und Potentiale zu adressieren und zu schließen. Ziel soll sein, aus dem Mosaik an bestehenden BNE-Lehrveranstaltungen unseren Studierenden ein konsistentes und umfangreiches Angebot an BNE-Lehre und fachlichen Veranstaltungen mit Querbezügen zu Nachhaltigkeit anbieten können. Damit unsere Absolvent:innen für die multiplen Herausforderungen der sozial-ökologischen Transformation gewappnet sind.

  

Über die Autorin

Annaliesa Hilger ist Nachhaltigkeitsmanagerin an der Universität Witten/Herdecke. Die Vernetzungsstelle Nachhaltigkeit setzt sich für eine sozial-ökologische Transformation der UW/H ein, indem diese

  • Veränderungen ermöglicht, unterstützt und initiiert,
  • gemeinsam Maßnahmen umsetzt und erinnert, sowie
  • rund um Nachhaltigkeitsthemen berät und vernetzt.

Nachhaltigkeit betrifft dabei sowohl den Campusbetrieb ebenso wie die universitären Kernbereiche Lehre, Forschung und Transfer. 

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