„Wenn wir sterben“
Ein Podcast über das Leben und den Tod
Unangenehmen Themen gehen die meisten Menschen aus dem Weg – dementsprechend wird über den Tod nicht gerne gesprochen. Der Podcast „Wenn wir sterben“ möchte Zuhörer:innen die Scheu vor dem Thema nehmen und von Menschen berichten, die nicht mehr lange zu leben haben. Denn der Tod gehört zum Leben.
Jede:r erinnert sich an die erste Begegnung mit dem Tod. Der Verlust eines wichtigen Menschen schmerzt – ist aber auch eine wichtige Erfahrung, weiß Benjamin Paul, der den Podcast als ehemaliger Medizinstudent der Uni Witten/Herdecke gemeinsam mit der Psychologin Silvia Antoine produziert. Er spricht aus Erfahrung, denn der Tod begleitet ihn seit seiner Kindheit: „Als ich zehn Jahre alt war, starb mein Großvater“, berichtet Benjamin im Gespräch. „Natürlich war das traurig, doch wir wussten alle, dass es ihm nun bessergeht, da sein Leid endlich ein Ende gefunden hat“. Als Kind, das den Tod nicht als Bedrohung sieht und sich für medizinische Themen interessiert, stand für Benjamin früh fest, dass er Medizin studieren und in die Palliativmedizin gehen möchte. Ein ungewöhnlicher Wunsch für einen jungen Menschen.
Uni-Projekt sorgte für erste Gespräche mit Sterbenden
Bereits im ersten Semester seines Humanmedizinstudiums in Witten begann Benjamin am Lehrstuhl für Sozialphilosophie und Ethik im Gesundheitswesen zu arbeiten – und kam so immer mehr mit dem Thema Tod und Sterben in Verbindung. Der Lehrstuhl war nicht in der Humanmedizin, sondern in der Pflegewissenschaft verankert und interdisziplinär aufgestellt.
Lehrstuhlinhaber Prof. Martin Schnell verbindet immer wieder Themen der Philosophie mit denen der Medizin und Pflege, weshalb hier vielfältige Projekte entstehen. „In diesem Rahmen konnte ich an Projekten beteiligt sein, die über die Medizin hinausgehen. Dass das in Witten möglich ist, habe ich schnell erkannt. Hier gibt es viele Möglichkeiten, Verknüpfungen zu anderen Fachgebieten herzustellen und andere Aspekte wahrzunehmen. 2012 habe ich Prof. Schnell bei dem Projekt ‚30 junge Menschen‘ unterstützt. Hierüber kam ich auf der Palliativstation des Universitätsklinikums Düsseldorf zunehmend ins Gespräch mit Personen, die an ihrem Lebensende stehen und erlangte einen umfassenden Einblick in die Gedankenwelt von Sterbenden“, berichtet Benjamin. Abschreckend fand er das nie – eher bereichernd.
Pausengespräche gaben Anlass zum Podcast
Mittlerweile steht Benjamin am Ende seiner sechsjährigen Facharztausbildung der Hämatologie und Onkologie im St. Josef-Hospital in Bochum. Hier trifft er tagtäglich auf schwere Schicksale und begleitet Menschen auf ihrem letzten Lebensweg – der manchmal Jahre, Monate, aber auch nur Wochen beträgt. Währenddessen entstehen viele Gespräche. „Die Kommunikation ist essenziell; sie ist der Schlüssel für die Begleitung, denn nur so können wir verstehen, wo ein:e Patient:in steht und was er/sie sich wünscht. Dabei ganz wichtig: eine Begegnung auf Augenhöhe – alles andere wäre falsch.“
Auf der Arbeit lernt er Silvia Antoine kennen, die im Bereich der Psycho-Onkologie Patient:innen betreut. Die beiden verstehen sich auf Anhieb gut, im Pausenraum führen sie regelmäßig Gespräche über die Arbeit, aber auch über Persönliches. Auch Kolleginnen und Kollegen werden von deren Gesprächen mitgerissen. „Eine PJ-Studentin belauschte uns eines Tages und teilte uns mit, dass es ihr unglaublich Spaß macht uns zuzuhören“, erinnert sich Benjamin. „Das hat uns natürlich geschmeichelt – aber zugleich dachten wir, dass vielleicht noch mehr Menschen Interesse an unseren Themen haben könnten. Das war sozusagen die Geburtsstunde des Podcast ‚Wenn wir sterben‘.“
„Viele sterbende Menschen möchten weiter am Leben teilhaben“
Bevor es jedoch in die Aufnahme gehen konnte, bedurfte es einer Erlaubnis des Krankenhauses und der Gesprächspartner:innen. „Unsere Chefin war glücklicherweise begeistert von der Idee. Teilnehmer:innen zu finden, war nie ein Problem. Unsere Patienten sind überwiegend sehr aufgeschlossen und möchten ihre Lebensgeschichte teilen“, so Benjamin. Über das eigene Leben zu resümieren und durch den Podcast noch in Zukunft für Menschen hörbar zu sein, ist ihnen wichtig: „Viele sterbende Menschen möchten weiter am Leben teilhaben. Indem wir deren Geschichten in unserem Podcast erzählen, hinterlassen sie ihren Angehörigen eine besondere Erinnerung.“
Der Podcast biete den Patient:innen einen Raum, in dem sie über ihre Gedanken, Gefühle und Wünsche sprechen können: „Sie können andere Menschen an ihrem Weg teilhaben lassen, zum Nachdenken anregen und den Tod als Teil des Lebens zeigen. Die Gespräche mit unseren Patient:innen sind beeindruckend ehrlich, handeln von der Erkrankung, den Gedanken über die Endlichkeit und den Tod, aber auch vom Leben.“
Für Benjamin und Silvia ist das Projekt eine Herzensangelegenheit, in die liebevolle Detailarbeit fließt: „Die Musik, sowohl der ersten als auch der zweiten Staffel, ist individuell für uns komponiert. Wir sehen jede Folge als ein besonderes Geschenk: Ein Geschenk für uns, für die Zuhörer:innen, für die Angehörigen, aber besonders für unsere Patient:innen. Bisher waren alle nach der Aufnahme sehr glücklich. Wir selbstverständlich auch – es herrscht immer eine ganz besondere Stimmung bei unseren Aufnahmen“, fasst Benjamin zusammen. Ob diese Gespräche ihn auch fordern? „Selbstverständlich. Aber sie geben mir auch viel zurück – weshalb ich meine Arbeit gerne mache.“
Wir bedanken uns für das sympathische Gespräch und wünschen Silvia und Benjamin weiterhin alles Gute und viel Erfolg mit ihrem tollen Projekt.
Link zum Podcast
Interesse geweckt? Dann hör doch gerne in den Podcast „Wenn wir sterben“: www.wennwirsterben-derpodcast.de.
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