Zur Akademisierung der Pflege: Gastbeitrag zum internationalen Tag der Pflegenden von Prof. Margareta Halek
Es ist sicher kein Zufall, dass der 'International Nurses Day' auf eine US-amerikanische Initiative zurückgeht, die vom ICN, der internationalen Vereinigung der Pflegenden aufgegriffen, und seit den 60er Jahren regelmäßig begangen wird – seit 1974 am 12. Mai jedes Jahres. Mit dem Datum wird auch an Florence Nightingale erinnert, die am 12. Mai 1820 geboren wurde, sie war eine Gallionsfigur der modernen Krankenpflege, die auch über die Grenzen der Pflegeprofession hinaus bekannt ist.
Mit dem International Nurses Day soll die Arbeit der beruflich Pflegenden gewürdigt, und ihre wichtige Rolle im Gesundheitswesen hervorgehoben werden.
Durch einen solchen Tag mindestens einmal im Jahr bewusst an die Arbeit Pflegender zu erinnern, diesen Beruf und die in diesem Beruf tätigen Kranken-, Alten- und weiteren Pflegefachpersonen zu würdigen ist nicht nur gut und richtig, sondern auch eine gesellschaftliche, und noch viel mehr eine politische Notwendigkeit
Der Pflegeberuf ist ein angesehener Beruf, keine Frage. In diversen Rankings um das Ansehen verschiedener Berufe rangiert die Krankenpflege regelmäßig und seit vielen Jahren auf Platz zwei, hinter dem Feuermann oder der Feuerwehrfrau, und noch vor dem Arztberuf. Aber wenn es um die Pflegepolitik in Deutschland geht, dann lässt eine angemessene Würdigung bisweilen zu wünschen übrig, und dafür gibt es ein eindeutiges Indiz. Während in vielen Ländern der Erde, auch innerhalb Europas, die Pflegeausbildung eine akademische Ausbildung ist, in den USA bereits seit einem Jahrhundert, tun sich deutsche Politiker und Politikerinnen immer noch schwer, dem Pflegeberuf auch hierzulande die Würdigung zuteil werden zu lassen, die er durch eine akademische Aufwertung erfahren müsste. Dabei geht es nicht darum, nichtakademisch ausgebildete Pflegefachpersonen abzuwerten. Vielmehr geht es darum, der wachsenden Komplexität des Berufs durch entsprechende Qualifizie-rung Rechnung zu tragen, Pflegenden entsprechend Verantwortung zu übertragen und ihnen zu ermöglichen, auf Augenhöhe mit anderen Gesundheitsberufen Gesundheitsversorgung aktiv und verantwortlich mitzugestalten. Viele vergleichbare Berufsqualifikationen sind entweder seit je her nur durch ein Hochschulstudium zu erlangen, wie etwa die Sozialarbeit, oder sie sind jüngst, und das konsequent, akademisiert worden, wie das Beispiel der Hebammen zeigt. Der Pflegeberuf aber ist, trotz zahlreicher Lippenbekenntnisse seit mehr als 20 Jahren, in Deutschland nach wie vor ein Ausbildungsberuf, und nichts deutet darauf hin, dass sich dies in naher Zukunft ändern könnte. Bereits vor zehn Jahren empfahl der Wissenschaftsrat eine Akademisierungsquote in den Pflege- und Therapieberufen von 10 bis 20 %, um der steigenden Komplexität des Gesundheitswesens und den damit verbundenen Anforderungen an die nichtärztlichen Gesundheitsberufe zu entsprechen. Aktuell beträgt die Quote in Deutschland aber gerade einmal 1,5 %. Dabei zeigen Studien seit Jahren, dass akademisch ausgebildete Pflegefachpersonen ein wesentlicher Baustein für eine qualitativ hochwertige Gesundheitsversorgung der Bevölkerung sind.
Die Universität Witten/Herdecke nimmt seit 27 Jahren eine Vorreiterrolle in der Pflegeakademisierung ein. Als erste Universität bundesweit startete die UW/H 1996 mit dem Bachelorstudiengang Pflegewissenschaft, erweiterte das Studienangebot um einen Master Pflegewissenschaft um auf die Anforderungen an eine an der Pflegepraxis ausgerichteten Pflegewissenschaft zu reagieren. Seit 2021 bietet die UW/H den Masterstudiengang Community Health Nursing an, der Studierenden auf die immer komplexer werdenden Aufgaben in der gemeindenahen- und in der Primärversorgung vorbereitet. Mit hoher Entscheidungskompetenz ausgestattet, werden sie auf lokaler Ebene maßgebliche Mitgestalterinnen und Mitgestalter der Gesundheitsversorgung.
Dieser und der heutige Masterstudiengang Pflegewissenschaft setzen eine pflegerische Grundausbildung oder ein pflegerisches Grundstudium voraus und haben vor allem ein Ziel: kompetente und hochwertig ausgebildete Pflegefachpersonen und Pflegewissenschaftler:innen auszubilden, die einen kompetenten Beitrag zur Gesundheitsversorgung leisten können und werden. Ein Viertel der Absolventinnen und Absolventen des Masterstudiengangs Pflegewissenschaft der UW/H hat promoviert, rund ein Zehntel hat eine Professur inne. Dabei sind die ehemaligen Studierenden in ganz unterschiedlichen Positionen tätig: in Stabsstellen oder in Leitungspositionen in Kliniken oder Pflegeeinrichtungen, als Referent:innen in Politik und Verbänden, als Lehrende oder wissenschaftliche Mitarbeitende in Hochschulen oder Forschungsinstituten, als Pflegeexpertin oder Pflegeexperte in vielen unterschiedlichen Bereichen.
Diesen Beitrag zur Weiterqualifizierung von Pflegenden wird die UW/H auch zukünftig leisten und – nicht nur heute – die Arbeit von Pflegenden würdigen.
Die Autorin
Prof. Margareta Halek ist Pflegewissenschaftlerin und Dekanin der Fakultät für Gesundheit an der Universität Witten/Herdecke.
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