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Blog Universität Witten-Herdecke | Politisches Engagement zwischen Populismus und Perspektiven

Einblicke in den US-Wahlkampf: Politisches Engagement zwischen Populismus und Perspektiven

Veröffentlicht am 19.12.2024

Simon Shaw und Victor Wolff studieren Management und PPÖ – Philosophie, Politik und Ökonomik an der UW/H. Im Herbst 2024 tauschten sie kurzerhand Seminarunterlagen gegen Parteiprogramme aus und flogen in die USA, um den Wahlkampf im umkämpften Swing State Pennsylvania zu begleiten. Über den Instagram-Kanal der Uni nahmen sie Kommiliton:innen virtuell mit, teilten Eindrücke und beantworteten Fragen rund um das Abenteuer US-Wahlkampf. Als freiwillige Vollzeithelfer unterstützen sie im Team der Demokraten Kandidatin Kamala Harris, führten persönliche Gespräche mit Wähler:innen und verfolgten gebannt die entscheidende Wahlnacht, aus der Donald Trump als eindeutiger Sieger und 47. US-Präsident hervorging. Die Erlebnisse haben die beiden Studenten nachhaltig beeindruckt. Was sie aus ihrem politischen Engagement mitnehmen, welche Gedanken sie seitdem bewegen und was sie sich für Wahlkampf und Politik in Deutschland wünschen, verraten Simon und Victor in diesem Gastbeitrag.

Das Wichtigste vorweg: Das Abenteuer hat sich gelohnt und wir würden es wieder machen. In knapp sechs Wochen haben wir einen Einblick in die US-amerikanische Gesellschaft gewonnen, wie man ihn sonst nur selten kriegt. Wir lernten schnell, als Deutsche mit Amerikaner:innen ins Gespräch zu kommen – über ihre Politik, über ihr Land. Es war erleichternd zu sehen, wie gut das funktioniert, auch über Parteigrenzen hinweg. Es war interessant, wie unglaublich personenbezogen der Wahlkampf in den Vereinigten Staaten ist. Inhalte und Fakten stehen im Hintergrund, im Spotlight dagegen vor allem Kamala Harris vs. Donald Trump. Dazu tragen Formate wie die im Fernsehen übertragenen Debatten stark bei, und irgendwie passt diese Art von Wahlkampf auch zu diesem Land. Der Streit darüber, wer die richtige Person für die Zukunft ist, könnte in dieser polarisierten Gesellschaft kaum größer sein. Gerade deshalb war es spannend zu beobachten, dass im Kern Einigkeit über viele politische Ziele (z.B. starke Wirtschaft, internationaler Frieden) herrscht. Entgegen unseren Erwartungen haben wir keine schlechten Erfahrungen damit gemacht, aus einem anderen Land zu kommen, um Wahlkampf zu machen. Im Gegenteil, rückblickend war unsere Herkunft ein Türöffner für viele interessante Gespräche.

Es steht fest: Donald Trump wird der 47. Präsident der Vereinigten Staaten

Zugegeben, unsere Vorhersagen, dass die Demokraten das Rennen (laut Simon „deutlich“) gewinnen, sind nicht gut gealtert. Wir dachten, die Auszählung könnte Wochen bis Monate dauern. Doch noch am Wahltag war klar: Nicht Kamala Harris, sondern Donald Trump wird der 47. Präsident der Vereinigten Staaten. Ein verurteilter Straftäter, demokratisch von der amerikanischen Bevölkerung gewählt, wird das Land durch die nächsten vier Jahre führen. Wir viele andere blicken wir besorgt der zweiten Amtszeit entgegen. Selbst enge Mitarbeitende aus Trumps erster Legislaturperiode warnen ausdrücklich vor seiner zweiten Präsidentschaft. Das aktuelle Kabinett wird hingegen mit Loyalisten bestückt, die ihn diesmal nicht ausbremsen sollen. Gesundheitsminister? Ein Impfskeptiker. Verteidigungsminister? Jemand, der die Idee von Frauen im Militär skeptisch sieht. Bildungsministerin? Die ehemalige Chefin der größten Wrestling Organisation. Regierung frei nach dem Motto: Expertise egal, Hauptsache loyal. Da ist es nachvollziehbar, dass bei vielen Amerikaner:innen, aber auch bei vielen Menschen weltweit, Pessimismus und Erschöpfung dominieren.

Aber auch wenn Trumps Präsidentschaft bald unausweichliche politische Realität sein wird, ist die Entwicklung der nächsten vier Jahre nicht in Stein gemeißelt. Geschichte schreibt sich nicht von selbst, sondern hängt von einer Vielzahl von Akteur:innen ab, die weit über den Präsidenten und sein Kabinett hinausgehen. Zwar werden Trump und sein Team die Geschehnisse maßgeblich bestimmen, aber auf der anderen Seite gibt es Aktivist:innen, Politiker:innen und Anwält:innen, die sich bereits seit Monaten auf diesen Wahlausgang vorbereitet haben, um sofort handlungsfähig zu sein. In unserem unmittelbaren Umfeld haben sich Wahlkampfhelfer:innen in weniger als 24 Stunden nach Trumps Sieg wieder organisiert, um zu planen wie sich die negativen Auswirkungen einer weiteren Trump-Präsidentschaft minimieren lassen. Nach monatelangem Wahlkampf nehmen sie sich nicht einmal einen Tag Auszeit, um die kommenden Jahren aktiv mitzugestalten. Diese Menschen, die sich durch die aktuellen politischen Ergebnisse und durch den erstarkenden Populismus nicht demoralisieren lassen, sondern im Gegenteil nun noch ambitionierter denken und aktiv werden, sind für uns Vorbilder geworden. Kamala Harris hat in diesem Sinne sehr treffend formuliert, was der Wahlausgang in den USA eigentlich bedeutet: „Der Kampf ist nicht vorbei, er hat sich lediglich verändert.“

Aber auch wenn Trumps Präsidentschaft bald unausweichliche politische Realität sein wird, ist die Entwicklung der nächsten vier Jahre nicht in Stein gemeißelt. Geschichte schreibt sich nicht von selbst, sondern hängt von einer Vielzahl von Akteur:innen ab, die weit über den Präsidenten und sein Kabinett hinausgehen. Zwar werden Trump und sein Team die Geschehnisse maßgeblich bestimmen, aber auf der anderen Seite gibt es Aktivist:innen, Politiker:innen und Anwält:innen, die sich bereits seit Monaten auf diesen Wahlausgang vorbereitet haben, um sofort handlungsfähig zu sein. In unserem unmittelbaren Umfeld haben sich Wahlkampfhelfer:innen in weniger als 24 Stunden nach Trumps Sieg wieder organisiert, um zu planen wie sich die negativen Auswirkungen einer weiteren Trump-Präsidentschaft minimieren lassen. Nach monatelangem Wahlkampf nehmen sie sich nicht einmal einen Tag Auszeit, um die kommenden Jahren aktiv mitzugestalten. Diese Menschen, die sich durch die aktuellen politischen Ergebnisse und durch den erstarkenden Populismus nicht demoralisieren lassen, sondern im Gegenteil nun noch ambitionierter denken und aktiv werden, sind für uns Vorbilder geworden. Kamala Harris hat in diesem Sinne sehr treffend formuliert, was der Wahlausgang in den USA eigentlich bedeutet: „Der Kampf ist nicht vorbei, er hat sich lediglich verändert.“

Das Abenteuer US-Wahlkampf hat uns nachhaltig geprägt

Die USA scheinen weit weg, aber diese Gedanken sind für uns in Deutschland genauso entscheidend. Im Februar 2025 sind Neuwahlen und auch wir kämpfen mit erstarkendem Populismus – mit der AfD als vermutlich zweitstärkste Kraft. Aus dem Wahlkampf in den USA nehmen wir diesbezüglich zwei Learnings mit:

1.  Handeln lohnt sich immer. Klingt banal, ist aber wichtig. In unserem bisherigen Studium haben wir viel mit Gleichgesinnten über politische Themen diskutiert. Doch nur zu diskutieren verändert leider wenig an den Wahlergebnissen. Was etwas verändert, ist sich aktiv einzubringen – über eine Kleingruppendiskussion, ein Referat oder eine Hausarbeit hinaus. Dabei sind die vermeintlichen Hürden meist selbstgebaut. Wir waren zuvor noch nie politisch aktiv und für den US-Wahlkampf unterqualifiziert. Trotzdem haben wir vor wenigen Monaten einfach Flüge gebucht und wurden nicht nur mit einer spannenden Zeit, sondern auch durch viele Rückmeldungen von Menschen, die wir zu Harris umstimmen konnten, belohnt. Das ermutigt uns und sollte auch andere ermutigen, einfach anzufangen – vieles ergibt sich dann von selbst.

2.  Wir müssen, hier in Deutschland, auch für die kommende Wahl ergebnisorientiert, nicht idealorientiert handeln. Das bedeutet gerade jetzt, nicht alle Parteien außer der eigenen zu verteufeln, sondern für ein starkes Ergebnis aller Parteien einzutreten, die für unsere demokratischen Grundwerte stehen. Das heißt auch, Nischendebatten, so wichtig sie in einer idealen Welt auch sein mögen, beiseite zu lassen und sich auf die Kernthemen zu konzentrieren, die die Mehrheit in diesem Land beschäftigen. Der erfolgreichste Wahlkampfspot von Trump drehte sich um Geschlechtsangleichung – mit der Punchline: „Harris if for they/them. Trump is for you.“ Das heißt nicht, dass wir zum Beispiel Gender-Debatten nicht für richtig halten. Aber die realistische Möglichkeit, progressive Politik umzusetzen, schwindet, wenn diese Themen zu sehr in den Mittelpunkt einer Wahlkampagne gestellt werden.  Wir haben viele Wähler:innen getroffen, die Harris wegen der Transgender-Debatte nicht wählen wollten, weil sie glaubten, sie würde die Themen falsch priorisieren. „Woke is broke“ – zumindest wenn es darum geht Populismus aufzuhalten. Deshalb sind wir der Meinung, dass Politiker:innen ihre Wähler:innen im Wahlkampf thematisch dort abholen müssen, wo sie stehen. Dabei geht es nicht darum, grundsätzliche Wertvorstellungen ändern zu wollen, sondern aufzuzeigen, welche Parteien tatsächlich in ihrem Interesse sein könnten und warum. So wurden wir vor allem an den Community Colleges mit spannenden, ehrlichen und effektiven Diskussionen belohnt, durch die wir viele Stimmen für Harris gewinnen konnten. Ähnliches ist auch in Deutschland im aktuellen Wahlkampf möglich.

Es gibt also auch für uns hier Grund zum Optimismus, sofern wir aktiv, realistisch und ergebnisorientiert handeln.

 

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