Bestimmt dein Feed deine Weltsicht?
Wie eine Bildungsinitiative an der UW/H unseren Medienkonsum reflektiert

Die Nachrichten auf dem Smartphone. Der Algorithmus, der den Feed bestimmt. Die Bilder, die viral gehen. All das prägt, wie wir die Welt sehen – oft, ohne dass uns die Mechanismen dahinter bewusst sind. Eine Bildungsinitiative an der UW/H lädt dazu ein, sich kritisch mit dem eigenen Medienkonsum zu beschäftigen – und informierte Teilhabe zu stärken. Ein Gastbeitrag von PPÖ-Studentin Linda von Velsen.
In internationalen Umfragen geben rund 60 % der Menschen an, den Nachrichten nicht oder nur begrenzt zu vertrauen. 39 % von ihnen vermeiden es – zumindest manchmal – aktiv, sich medial über aktuelle Geschehnisse zu informieren. In Deutschland liegt dieser Anteil bei 37 % (Quellen: Digital News Report 2024, Reuters Institute Digital News Report 2024). Viele vermuten wirtschaftliche oder politische Einflussnahme auf journalistische Inhalte. Gleichzeitig wenden sich immer mehr Menschen von politischen Nachrichten ab – nicht aus Desinteresse, sondern aus Überforderung, Ermüdung oder Misstrauen. Was bedeutet das für eine demokratische Gesellschaft?
Warum Medienwissen entscheidend ist
„Understanding Media“ ist eine Bildungsinitiative an der Universität Witten/Herdecke, die Studierenden aller Fachrichtungen die Möglichkeit bietet, sich mit der Rolle von Medien in einer sich wandelnden Gesellschaft auseinanderzusetzen. Ins Leben gerufen wurde sie von den UW/H-Alumni Johannes Wiek und Max von Abendroth; seit 2022 ist auch Lutz Kinkel Teil des Teams. Im Studium fundamentale bringt die Seminarreihe europäische und internationale Gäste aus Medienwissenschaft, Journalismus und Politik mit Studierenden der UW/H und weiterer europäischer Universitäten zusammen – für gemeinsame Reflexion und kritische Analyse.
Bisher zu Gast waren unter anderem Rasmus Kleis Nielsen (Professor am Institut für Kommunikationswissenschaft der Universität Kopenhagen und Senior Research Associate am Reuters Institute for the Study of Journalism an der University of Oxford), Charlie Beckett (Direktor des Polis Think Tanks/JournalismAI Projects an der London School of Economics), Marius Dragomir (Direktor des Media and Journalism Research Center) und die Investigativ-Journalistin Mar Cabra, die für ihre Arbeit an den „Panama Papers“ mit dem Pulitzer Preis ausgezeichnet wurde.
Sie haben Einblicke in ihre Forschung und berufliche Praxis gegeben und neue Perspektiven auf die Frage eröffnet, wie Medien funktionieren und welchen Einfluss sie auf gesellschaftliche Prozesse nehmen. Im Seminar berichteten und diskutierten die Expert:innen mit uns Studierenden unter anderem darüber, dass in vielen Ländern Medien und auch Soziale Medien systematisch von Regierungen oder wirtschaftlichen Akteuren unterwandert, beeinflusst oder kontrolliert werden („Media Capture“), wie KI-generierte Bilder unser Weltverständnis und unsere Wahrnehmung von Ereignissen und Zusammenhängen beeinflussen können – oder darüber, dass trotz (oder gerade wegen) des technologischen Fortschritts im Kontext der Künstlichen Intelligenz der Bedarf an menschlicher Empathie, Urteilskraft und sozialer Kompetenz im Journalismus wächst.

Marius Dragomir, Direktor des Media and Journalism Research Center, analysierte in seinem Vortrag, wie Besitzverhältnisse und Machtinteressen die Unabhängigkeit von Medien gefährden können.
Themen, die die öffentliche Debatte prägen
Auch im Sommersemester 2025 rücken wir drängende Fragen in den Fokus: Was bedeutet es, wenn immer mehr Menschen dem Journalismus den Rücken kehren? Wie verändern KI-generierte Bilder unser Verhältnis zur Wirklichkeit? Wie können wir investigative journalistische Arbeit schützen und unterstützen? Welche Rolle spielen Influencer:innen in politischen Debatten? Wie unabhängig sind Medien überhaupt noch? Und was bedeutet eigentlich Meinungsfreiheit – und wie können wir sie schützen?
Angedacht sind zudem Sessions über die Rolle und Wirkung von Algorithmen in der Medienlandschaft sowie ein Planspiel zum Thema „Detoxing Information Ecosystems“.
Mit dem „Understanding Media Club“ ist außerdem eine studentische Initiative in Planung, in der Studierende der UW/H über Medienthemen ins Gespräch kommen können.

Offen für alle – und gemacht für viele Perspektiven
Der Austausch mit meinen Kommiliton:innen und internationalen Medienexpert:innen im ‚Understanding Media‘-Seminar war für mich als langjährige Teilnehmerin in vielerlei Hinsicht besonders bereichernd – nicht zuletzt, weil er mir eindrücklich vor Augen geführt hat, welche essenzielle Rolle Medien in unserer Wahrnehmung der Welt und gesellschaftlicher Entwicklungen spielen. Darüber hinaus konnte ich ein tieferes Verständnis für die zugrundeliegenden Medienstrukturen und ihre Mechanismen gewinnen. Ich habe gelernt, wie ich mich reflektierter und verantwortungsbewusster in der heutigen Medienwelt bewegen kann – und durch die vielfältigen Impulse neue Blickwinkel gewonnen.
Ich bin überzeugt, dass es für uns Studierende Räume braucht, in denen wir über diese Themen sprechen und unser Medienverständnis weiterentwickeln können. Daher engagiere ich mich inzwischen auch als studentische Vertreterin innerhalb der Initiative – und freue mich auf das kommende Semester!
Wer neugierig geworden ist, kann sich gerne noch über UWE für das UNDERSTANDING MEDIA Seminar registrieren, oder sich bei Initiator und Dozent Johannes Wiek melden.
Weitere Infos über Understanding Media
Tiefere Einblicke zum Thema bietet die aktuelle Ausgabe des WITTEN LAB MAGAZINS #5 mit dem Themenschwerpunkt Media & Democracy.
Eine Auswahl der Themen:
- Wie sich die Medienlandschaft verändert
- Wie Künstliche Intelligenz die Nachrichten verändert
- Wie es um die Unabhängigkeit der Medien in Deutschland steht
Das Magazin ist online abrufbar unter www.wittenlab.de.
Eindrücke und Rückblicke auf vergangene Sessions gibt es auf Instagram unter @understanding_media_seminar.
Über die Autorin

Linda von Velsen studiert PPÖ – Philosophie, Politik und Ökonomik an der UW/H studiert, ist langjährige Teilnehmerin des Seminars und engagiert sich als Studentische Vertretung in der Understanding-Media-Initiative.
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