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Blog Universität Witten-Herdecke | Weltpolitik hautnah: Einblick in das größte Planspiel der Vereinten Nationen

Weltpolitik hautnah: Einblick in das größte Planspiel der Vereinten Nationen

Jette Thra studiert im zweiten Semester PPÖ – Philosophie, Politik und Ökonomik und Global Sustainability an der UW/H. Im April 2025 reiste Jette gemeinsam mit 22 Kommiliton:innen nach New York City, um an der National Model United Nations-Konferenz (NMUN) teilzunehmen – dem größten studentischen Planspiel der Vereinten Nationen. Dabei schlüpfte sie für vier Tage in die Rolle einer Diplomatin und vertrat die Republik Argentinien im Komitee für Abrüstung und internationale Sicherheit.  Auf der Suche nach Verbündeten lernte sie Studierende aus der ganzen Welt kennen und verhandelte über Lösungen für globale Herausforderungen. Die gesammelten Erfahrungen haben die Studentin nachhaltig beeindruckt. Was sie von ihrer Reise mitnimmt, erzählt Jette in ihrem Gastbeitrag

„Ich war noch niemals in New York!“ – das kann ich nun mit Stolz nicht mehr behaupten. Bereits im ersten Semester habe ich von den vielfältigen Möglichkeiten erfahren, wie sich Studierende an der UW/H neben dem Studium engagieren können. Dabei bin ich auf die Initiative Model United Nations gestoßen – die perfekte Gelegenheit, mein politisches Interesse mit gesellschaftlichem Engagement zu vereinen. Ohne genau zu wissen, was mich erwarten würde oder was es bedeutet, allein nach New York zu fliegen, reichte ich mein Bewerbungsschreiben ein – und wurde angenommen.

¡Hola, Argentina! – Die UW/H-Delegation vertritt die Republik Argentinien

Beim ersten Kennlerntreffen der UW/H-Delegation lüfteten wir das große Geheimnis, welches Land wir vertreten würden. Schnell stand fest: Das MUN-Team reist 2025 unter argentinischer Flagge. Fortan setzten wir uns intensiv mit der Politik und den Werten Argentiniens auseinander, um uns auf die Konferenz vorzubereiten und ein fundiertes Position Paper zu weltpolitischen Themen wie Klimaschutz, wirtschaftlicher Handel oder Menschenrechte zu formulieren. Dabei wurden wir tatkräftig von den vier Initiator:innen, insbesondere die beiden Head-Delegates, unterstützt. In unseren Rollen als Diplomat:innen schlossen wir uns unterschiedlichen Komitees an – mein Kommilitone Randolf Maercker und ich wurden zu Mitgliedern des Komitees der General Assembly 1 (GA1), mit Fokus auf nukleare Abrüstung und internationale Sicherheit.

Der April rückte näher, die Aufregung stieg und die Reisevorbereitungen liefen auf Hochtouren: Ich fand Zimmernachbarinnen, buchte meine Flüge, bügelte meine Blusen – passend zum formellen Dresscode – und studierte die Verhaltensregeln für die einzelnen Sessions. Trotz aktueller Berichte über Einreiseschwierigkeiten kamen wir wohlbehalten in New York an. Unsere Unterkunft, das Hilton Hotel in Midtown, war fest in MUN-Hand. In der Lobby gab einen separaten Check-In-Schalter für Teilnehmende des Planspiels und überall sah man junge, aufgeregte Studierende aus aller Welt. Obwohl es erst am Sonntag losgehen sollte, trafen viele aus unserer argentinischen Delegation schon ein paar Tage früher ein. So konnten wir den ersten Abend in einem typisch amerikanischen Diner verbringen, uns über unsere Anreise austauschen und letzte offene Fragen klären. Das gemeinsame Abendessen wurde zu einem verbindenden Ritual für uns. 

Die Konferenz startete mit einer großen Eröffnungszeremonie und wir lauschten gemeinsam den Worten des MUN-Präsidenten von der langen Tradition der MUN und inspirierende Geschichten vergangener Konferenzen. Zum Abschluss sahen wir eine persönliche Videonachricht des derzeitigen UN-Generalsekretärs Antonio Guterres, der uns ermutigte, für eine gerechte Zukunft zu kämpfen und uns für unser Recht auf Mitgestaltung einzusetzen.

Zwischen Weltpolitik und persönlichem Wachstum

Im Anschluss teilten sich alle Delegationen für die erste Sitzung auf. Randolf und ich bezogen als Mitglieder der GA1-Komitees zusammen mit über 200 weiteren Studierenden einen der größten Säle des Hotelkomplexes und legten zunächst die Reihenfolge der Themen fest. Mit großer Mehrheit erklärten wir nukleare Sicherheit, gekoppelt mit atomarer Abrüstung, zu unserer Priorität. Danach wurde die „Speaker’s List“ für den formellen Teil der Sitzungen eröffnet, in dem alle Länder die Möglichkeit hatten, ihre Positionen vorzustellen. Im informellen Teil konnten Randolf und ich Ideen austauschen und unsere Strategie besprechen: Welche Länder verfolgen die gleichen Interessen? Wen könnten wir von unseren Vorschlägen überzeugen? Und welche Allianzen sind möglich?  Ziel der Sitzungen war es schließlich, eine oder mehrere Resolutionen zu verabschieden, die von möglichst vielen Ländern getragen und unterstützt werden. Dafür ist es notwendig, einen Konsens mit einer möglichst großen Gruppe zu finden. Obwohl es mich anfangs Überwindung kostete, fand ich schnell Freude daran, neue Menschen kennenzulernen. Manchmal konnte ich kaum glauben, dass ich mich tatsächlich mit anderen Studierenden über die Zukunft von atomaren Waffen unterhalte und ich mich in diesem Planspiel als Vertreterin Argentiniens für eine Abrüstung ausspreche. Und plötzlich überkam mich das Gefühl, selbst Teil der großen Weltbühne zu sein.

In meiner Rolle als Diplomatin gehörten auch Gespräche mit schwierigeren Vertretern wie China, Russland oder Iran dazu, um sie von unserer Resolution zu überzeugen. Was vielleicht in der echten Welt nicht möglich wäre, ist mir hier gelungen.

Neben den Gesprächen über Politik und nukleare Waffen, ergaben sich aber auch private Gespräche, wodurch ich die Personen hinter ihren Ländernamen kennenlernen durfte. Ich schloss Freundschaft mit einem Studenten von den Philippinen, der mich nach Manila eingeladen hat, Studierenden aus Los Angeles, Chicago, West Virginia oder sogar aus Nepal! Sie alle sprühten vor Engagement und Entschlossenheit, etwas zu verändern und die Welt zu einem besseren Ort zu machen.

Nach vier intensiven Sitzungstagen, einiger Nachtschichten und Resolutionen wurde unser Durchhaltevermögen am letzten Tag der MUN mit einem Besuch des offiziellen UN-Sitzes in New York belohnt. Dort wo sonst die hochrangigen Politiker:innen aus aller Welt sitzen und sich über die Weltlage austauschen, saßen jetzt junge politikinteressierte und ambitionierte Studierende aus aller Welt. Der krönende Abschluss war der traditionelle „Delegate-Dance“ – ausgelassen und absolut verdient. Wehmütig, weil der Abreisetag kurz bevorstand, aber dennoch beseelt von den Eindrücken der letzten Tage, genoss ich die letzten Stunden in New York mit den Menschen, die mir in dieser Zeit so sehr ans Herz gewachsen waren.

Ich bin unendlich dankbar für diese Erfahrung. Sie hat mich persönlich aber auch mein Studium bereichert und ich würde jeder und jedem raten, die Chance zu ergreifen und selbst einmal Teil einer MUN-Delegation zu werden. New York als Stadt war beeindruckend, aber viel mehr sind es die zwischenmenschlichen Kontakte und wertvollen Gespräche, die ich aus dieser Zeit mitgenommen habe.

Egal mit welcher Unsicherheit man zu kämpfen hatte, egal wie man hergekommen ist, bei der MUN und in der großartigen argentinischen Delegation aus Witten fühlten wir uns alle gesehen, respektiert und akzeptiert. Bei all den beängstigenden politischen Entwicklungen haben mir die Begegnung mit Menschen, die an das Gute in der Welt glauben, Hoffnung gegeben. Wenn wir Veränderung erwarten, müssen wir selbst handeln.

MUN-Takeover:
uf dem
Instagram-Kanal der UW/H hat das MUN-Team live aus New York Eindrücke geteilt und Fragen zum Planspiel beantwortet. Alle Storys kannst du im Takeover-Highlight nachschauen. Du willst auch dabei sein? Dann besuche den Instagram-Kanal der Initiative MUN-Witten/Herdecke und erfahre, wie du Teil der nächsten MUN-Delegation werden kannst!

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