Witten im Rücken – Westminster im Blick

Ein Jahr lang erlebte UW/H-Alumna Paulina Unfried Politik hautnah – als Öffentlichkeitsreferentin im Deutschen Bundestag, in Zeiten von Regierungskrisen und Neuwahlen. Jetzt zieht die 26-Jährige von Berlin nach London: Am King’s College beginnt sie ihren Master in Public Policy mit den Schwerpunkten Klima- und Medienpolitik – und taucht noch tiefer ein in Themen und Fragen, die sie in den vergangenen Jahren umgetrieben haben.
Eine gescheiterte Ampel-Regierung, Neuwahlen in Deutschland, die Wiederwahl Trumps zum Präsidenten der Vereinigten Staaten – was sich in den vergangenen zehn Monaten abgespielt hat, liest sich wie ein Politkrimi. Als Öffentlichkeitsreferentin für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag hat UW/H-Alumna Paulina Unfried diese politisch turbulenten Zeiten unmittelbar verfolgt. „Für mich war es total cool, das politische Berlin direkt nach meinem Bachelor zu erleben“, sagt sie. Studiert hat sie PPÖ – Philosophie, Politik und Ökonomik an der Uni Witten/Herdecke. Im Bundestag hat sie ihr Wissen in der Praxis angewendet, Abläufe kennengelernt, einen Blick hinter die Kulisse geworfen. Neben den tagesaktuellen Ereignissen knüpfte ihr Job ideal an ihre Abschlussarbeit an, in der sie sich mit der Klimadiktatur beschäftigt hat und mit der Frage, wie die Klimatransformation gelingen kann.

Jetzt steht der nächste Schritt an: raus aus dem Bundestag, rein in ein Master-Studium am King’s College in London. Nach dem Bachelor war der Weg ins politische Geschehen für Paulina genau richtig. „Jetzt habe ich aber auch total Lust, noch einmal zu studieren. Ich möchte mir im Master das holen, was ich inhaltlich noch brauche.“
„Die Uni hat mich ermutigt, groß zu denken.“
Dass nach dem Bachelor ein Master folgen sollte, war nicht von Anfang an klar – die Option wollte sich die 26-Jährige aber offenhalten. Also hat sie sich früh umgeschaut, sich mit Kommiliton:innen ausgetauscht. „Ich fand es toll am Studium in Witten, dass ich umringt war von Menschen, die Träume hatten und die sich auch erlaubt haben, zu träumen. Das ist nicht selbstverständlich und das hat mich ermutigt, groß zu denken. Ich glaube, sonst wäre ich nie darauf gekommen, einen Master in London zu machen. Aber so habe ich mich schon früh damit auseinandergesetzt und überlegt, wie ich das stemmen kann, was ich brauche.“
Die Bewerbungsphase begann im Oktober 2024. Paulina hat sich an mehreren Unis im Ausland beworben – darunter die London School of Economics and Politics (LSE) und die Universität in Lund. Zusagen kamen von allen. Am Ende hat sie sich für den einjährigen Master „Public Policy“ am King’s College entschieden, weil er zwei Schwerpunkte beinhaltet, die Paulinas Interessen optimal verbinden: Klima- und Medienpolitik. Themen, mit denen sie sich bereits während ihres Studiums an der UW/H beschäftigt hat und die sie nun vertiefen kann.
Von Pottpost bis Familienunternehmerkongress
Zum Bachelor nach Witten ist Paulina gekommen, weil sie „ein sehr politischer Mensch“ ist. Politisch zu sein bedeutet für sie, nach Gerechtigkeit zu streben, nach Wahrheit zu suchen, sich der Realität – so gut es geht – anzunähern. Es bedeutet, neugierig zu bleiben, Fragen zu stellen, Themen zu verfolgen, ohne voreingenommen zu sein. „Für PPÖ habe ich mich entscheiden, weil ich das Gefühl hatte, es bringt genau das zusammen, was ich brauche und machen will.“
Dieses Gefühl hat sich in ihrer Studienzeit bestätigt. Neben den Fachinhalten ging es um ehrenamtliches Engagement, um die Arbeit in studentischen Initiativen und eigene Projekte. Paulina hat eine Zeitung gegründet, die Pottpost, ein unabhängiges Medium für Studierende. „Irgendwann wurden wir ins Präsidium eingeladen, um unsere Zeitung vorzustellen und darüber zu sprechen. Für uns war das natürlich der ultimative Erfolg. Wir hatten teilweise auch sehr kritische Texte gegenüber der Uni, aber das wurde ganz offen angenommen. Das war natürlich toll.“

Prägend war für sie auch das Jahr, in dem sie gemeinsam mit vier Kommiliton:innen den Wittener Kongress für Familienunternehmen organisiert hat, eines der größten Events seiner Art in Europa. „Ich hatte das Gefühl, mir wurde immer mehr Verantwortung übertragen und es gab viele Anreize, sich zu engagieren. Das stärkt das eigene Selbstbewusstsein. Ich bin nicht mit dem Gefühl aus dem Studium gegangen, nichts zu können und ‚nur‘ studiert zu haben – ich bin rausgegangen und war total bereit, in den Bundestag zu gehen und einen guten Job zu machen. Mir hat das viel mehr gebracht, als einfach auf eine 1,0 hinzuarbeiten und direkt danach in den Master zu starten.“ Außerdem fühlt sie sich bereiter, ein Risiko einzugehen: „Allein die Entscheidung für Witten war ein kleines Risiko, weil ich das Studium mit einem Umgekehrten Generationenvertrag finanziere und meine Studienbeiträge erst jetzt zahle, nach meinem Studium. Aber ich dachte immer: Jetzt bin ich in dieses Risiko gegangen, jetzt will ich alles mitnehmen, alles nutzen.“
Vertrauen mitnehmen und weitertragen
Alles mitzunehmen, bedeutete für Paulina auch, das Studium zu ihrem Studium zu machen. Es ging nie darum, vorbereitete Inhalte einfach nur aufzunehmen, sondern darum, sich selbst Dinge zu erarbeiten, sie einzufordern, einen eigenen Fokus zu setzen und diesen einzubringen. Sich Fragen zu stellen – und neue Fragen zu entwickeln. Die schönsten Momente waren für Paulina die, in denen Kommiliton:innen, Professor:innen oder andere Menschen an der Uni ihr Vertrauen geschenkt und an sie geglaubt haben. Paulina: „Das passiert in Witten sehr, sehr oft. Ich glaube, das ist genau das, was junge Leute brauchen, dadurch wird ein ganz anderes Potenzial frei. Ich bin im Studium über mich hinausgewachsen und die Uni hat an uns geglaubt – auch bei Dingen, bei denen wir selbst noch nicht wussten, dass wir sie können. Dieses Vertrauen nehme ich mit und trage es weiter.“
Sie blickt gespannt auf ihre Zeit in London, freut sich darauf, neu anzufangen und noch nicht zu wissen, was passiert. Dieses Gefühl kennt sie nicht nur aus ihrem Praktikum bei der ZEIT in Hamburg, sondern auch aus ihrem Auslandssemester, das sie während ihres Bachelor-Studiums an einer Partneruni der UW/H in Seoul, Südkorea, gemacht hat. „Ich habe Lust, jetzt noch einmal richtig tief in die Themen einzutauchen und eine neue Stadt zu entdecken.“ Sie kann sich vorstellen, nach ihrem Master wieder im Bundestag zu arbeiten. Oder die Politik auf anderer Ebene mitzugestalten, z. B. in der EU. Auch eine journalistische Tätigkeit käme für sie infrage. Paulina ist dankbar, sich noch nicht festlegen zu müssen und schauen zu können, was als nächstes auf sie wartet.
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